Eine Gruppe Menschen sitz auf einem Tisch. Es sind sechs an der Zahl. Die drei Frauen rechts haben die Beine übereinandergeschlagen und blicken zum Betrachter. Die drei links lassen die Beine baumeln. Der Mann links außen hat Kopfhörer im Nacken. Er schaut mit gespitzten Lippen die Frau in der Mitte an. Diese hat die Augen geschlossen und wirkt in sich gekehrt. Sie hält etwas in den Händen. Rechts daneben sitzt eine Person mit Schnurrbart, großen Hut, dickem grünen Pulli und einem Rock bekleidet. Sie hat Rollschuhe an und sagt etwas.

Die Welt zwischen den Nachrichten

Night Radio Show - oder William Shakespeares Sonette als Medizin gegen nächtliche Einsamkeit

/ von Judith Kuckart und dem Ensemble // Uraufführung

PREMIERE 29. September 2024 // Kleines Haus

VORSTELLUNGSDAUER: ca. 1 Stunde, 30 Minuten

geeignet ab 15 Jahren

Einführung jeweils 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Kleinen Haus

Vorstellungstermine

20.10.2024 um 18:00 Uhr Karten
25.10.2024 um 19:30 Uhr Karten
31.10.2024 um 19:30 Uhr Karten
15.11.2024 um 19:30 Uhr Karten
13.12.2024 um 19:30 Uhr Karten
30.12.2024 um 19:30 Uhr Karten

Eine Koproduktion mit der bremer shakespeare company.

Logo der bremer shakespeare company

Medienpartner: Bremen zwei

Logo bremen zwei

Wie immer von Mittwoch auf Donnerstag sitzt Moderator Gerlach im Studio von Radio Nord Nordwest 2. Auch in dieser Nacht werden Menschen aus ihrem Leben erzählen. Denn beim Erzählen bekommen die schlimmsten Katastrophen einen Sinn. Heute Nacht aber hat Gerlach eine gute Nachricht: Richtiges Lesen rettet vor allem, einschließlich vor einem selbst, sagt er gleich zu Beginn ins Mikrofon. Rufen Sie an und berichten Sie, ob und wie ein Buch, ein Song, ein Gedicht oder sogar ein Sonett von Shakespeare, Sie einmal gerettet hat. Denn in England zum Beispiel bekommen depressiv Erkrankte Bücher auf Rezept. Horchen Sie oder rufen Sie einfach auch unter 0800 2254 2254 an und finden Sie Trost... In dieser Nacht rufen vier Menschen aus dem JETZT an, Menschen wie du und ich. Aber auch eine Dark Lady aus dem Jenseits meldet sich.

Ensemble und Regie haben sich gemeinsam mit Shakespeare auf den Weg gemacht, sind in die Welt zwischen den Nachrichten abgetaucht und haben Texte geschrieben, die in dieser nächtlichen Radio Sendung ihren Platz finden.

INSZENIERUNG Judith Kuckart
BÜHNE & KOSTÜME Rike Schimitschek
VIDEO Alice Bleistein
TONCOLLAGEN & MUSIK Michael Meyer
DRAMATURGIE Justine Wiechmann
LICHT Daniel Lang

 

FRAU WINTER Svea Meiken Auerbach
DARK LADY PILZ Leon Häder
ROSA Angelika Hofstetter
BEA Petra-Janina Schultz
HERR GERLACH Markus Seuß
FRAU BEHRENSON Isabel Zeumer

 

REGIEASSISTENZ & INSPIZIENZ Finn Lorenzen
SOUFFLAGE Viktoria Scharf

Die Welt zwischen den Nachrichten

Night Radio Show

Zuhören

An diesem Abend haben Sie die Chance den Figuren, den Schauspieler:innen und den Autor:innen gleichzeitig zuzuhören. In dieser Inszenierung verschwimmen die Grenzen zwischen biographischen und fiktionalen Texten. Was die Figuren beschäftigt, hat auch die Schauspielerin oder den Schauspieler in einer ähnlichen Art und Weise einmal beschäftigt. Es sind Geschichten aus ihrem Leben oder Erzählungen, die von Erlebnissen und Gedanken des jeweiligen Lebens beeinflusst wurden. Wenn Sie einmal die Augen schließen und genau hinhören, dann können Sie die Person, die Ihnen gegenüber auf der Bühne sitzt und ihre Geschichte erzählt, vielleicht ein bisschen besser sehen.

Im Dezember 2023 begann das Kooperationsprojekt Die Welt zwischen den Nachrichten. Eine gemeinsame Arbeit der bremer shakespeare company und dem Stadttheater Bremerhaven. Zwei Institutionen, die Theater machen – aber eben sehr unterschiedlich. Während die bremer shakespeare company als Verein im Kollektiv selbstverwaltet arbeitet, funktioniert das Stadttheater Bremerhaven durch klare Aufgabenteilung. Für die Zusammenarbeit war es daher von besonderer Bedeutung, dass wir gut miteinander kommunizieren und dazu gehört nicht nur das Reden, sondern vor allem das Zuhören. Welche Probenroutinen gibt es? Welche Regeln, Rechte und Pflichten müssen eingehalten werden? Wie sind die unterschiedlichen Bedürfnisse? Wer übernimmt welche zusätzlichen Aufgaben? Und was können wir gegenseitig voneinander lernen. All das galt es zu verstehen und auszuhandeln, um eine konstruktive Zusammenarbeit zu ermöglichen.

Zuhören spielte nicht nur im strukturellen Arbeitsprozess eine Rolle, sondern begleitete uns auch inhaltlich durch das gesamte Projekt. Das Setting, eine Night Radio Show, lebt vom Zuhören. Die Figuren, die in dieser Night Radio Show anrufen, tun dies, damit ihnen zugehört wird. Der Moderator Martin Gerlach hat für alle seine Anrufer:innen ein offenes Ohr. Sie können ihm ihre Geschichten erzählen und er gibt ihnen den Raum dafür. Frau Behrenson, Frau Winter, Rosa und Bea nutzen diesen Raum des Zuhörens ganz unterschiedlich. Es sind nicht nur Sorgen, die mitgeteilt werden wollen, vielmehr sind es Gedanken, die diese Figuren beschäftigen: Wie sieht ein geglückter Tag aus und warum kann Thomas Manns Zauberberg einen ein Leben lang beschäftigen? Themen, die erzählt werden wollen und die ein Gehör finden müssen. Auch, wenn die Zuhörkapazitäten häufig schon durch viele Nachrichten erschöpft sind und wenig Platz für die Geschichten dazwischen bleibt.

«Ich kann Menschen sehen, wenn ich ihre Stimme höre.»
Rosa

Wie geht es denn Ihnen? Wann wurde Ihnen das letzte Mal zugehört und wann haben Sie zum letzten Mal jemanden zugehört. Oder besser gesagt: Wann haben Sie zuletzt vernommen? In Die Welt zwischen den Nachrichten äußert Frau Behrenson treffend: «Vernehmen ist nicht zuhören. Vernehmen ist, wenn mehr das Herz als die Ohren hinlauschen…».
Nehmen Sie sich Zeit und hören den Menschen in ihrer Umgebung genau zu? Hören Sie allen gleich zu oder machen Sie im Zuhören Unterschiede? Warten Sie schon darauf, antworten zu können oder halten Sie es aus, nur dem Gesagten den Raum zu geben?
Im Bereich der Kommunikationswissenschaften gibt es seit etwa 60Jahren das Gebiet der Zuhörforschung. Die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Margarete Imhof erklärt, dass in diesem Kontext psychologische und neurologische Vorgänge des Zuhörens untersucht werden: «Welche Eindrücke bildet sich der Zuhörer von dem Sprecher oder der Sprecherin? Wie werden Informationen sortiert, zusammengestellt, aber auch ignoriert und verdrängt?» Zuhören spielt aber nicht nur auf der engeren Beziehungsebene zwischen zwei Menschen eine Rolle, sondern hat auch politische und soziale Dimensionen. Wird nicht richtig zugehört, entstehen Konflikte, Entscheidungen müssen revidiert werden und so verzögern sich Entwicklungsprozesse.

Kulturpolitisch kann Zuhören bedeuten: Ich gebe den Menschen eine Stimme. Ein Ungleichgewicht in der Gesellschaft erzeugt eine Hierarchie und durch diese Hierarchie entstehen Machtunterschiede. Die größere Gruppe entscheidet allein dadurch, dass sie größer ist, gegenüber einer kleineren Gruppe, ob diese gehört wird oder nicht. Hören wir als Gruppe, als Gesellschaft genau zu, können wir Diskriminierungsprozessen entgegenwirken. Eine funktionierende Gesellschaft lebt also davon sich gegenseitig zuzuhören.

Gleichzeitig befinden wir uns aber in einer schnelllebigen Zeit, in der es gar nicht so einfach ist zuzuhören. Es prasseln tagtäglich wahnsinnig viele Informationen auf einen ein und da gilt es zu filtern. Dadurch sind die Kapazitäten gar nicht immer da zuzuhören. Zudem wird unsere Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer, es fehlt die Fähigkeit, sich lange konzentrieren zu können.

Es gibt aber Hoffnung: Zuhören kann erlernt und trainiert werden. Voraussetzung ist ein konzentrierter Rahmen, in dem ablenkende Quellen wie z. B. das Mobilfunktelefon keine Rolle spielen. Die Person, die spricht, sollte aussprechen können. Beim Zuhören ist es wichtig, sich zu entspannen. Es können Rückfragen zum Erzählten gestellt werden oder der Inhalt kann zum Verständnis kurz zusammengefasst werden. Es ist aber unbedingt wichtig, das Erzählte nicht zu bewerten oder ungefragt Ratschläge zu erteilen. Blickkontakt und eine zugewandte Körperhaltung unterstützen den Prozess des Zuhörens.

Justine Wiechmann

Autor:in. Spieler:in. Figur.

Die Produktion Die Welt zwischen den Nachrichten hat mit einem unbeschriebenen Blatt Papier und einer Schreibwerkstatt begonnen. Ziel dieser war es eine Textfassung für eine Night Radio Show mit einem Moderator, vier Anrufer:innen und einer Dark Lady zu gestalten. Sechs Schauspieler:innen von der bremer shakespeare company und vom Stadttheater Bremerhaven haben sich gemeinsam mit der Autorin und Regisseurin Judith Kuckart dieser Herausforderung gestellt. Inspirationsquelle für die Schreibenden sollten Shakespeares Sonette und die Frage, inwieweit ein Buch oder ein Gedicht sie einmal gerettet hat, sein. Während dieses Schreib- und Reflektionsprozesses setzten sich die Schauspieler:innen mit ihrem Lieblingssonett ausein-ander, schrieben am 28. Dezember 2023, also zwischen den Jahren, ausführlich Tagebuch, kreierten selbst das ein oder andere Sonett und beschäftigten sich u.a. damit, wie das Ende ihres Lebens aussehen könnte. All die Texte filterte, gestaltete und montierte Judith Kuckart im Sommer 2024 dann zu einer Spielfassung, mit der in der Spielzeit 2024/2025 dann geprobt werden konnte.

Justine Wiechmann

Ableben.

Ich hasse Dinge, die ich nicht weiß. Vorgänge, die ich mir nur vorstellen kann, weil sie im Leben nicht erfahrbar sind, beziehungsweise, weil sie nur einmal im Leben zu erleben, also zu erfahren sind.
Sterben, zum Beispiel. Meine Tochter ist bei mir, sie will meinen 97.Geburtstag mit mir feiern. Das freut mich! Denn es ist – wie gewünscht – auch mein Todestag. Wir machen uns gemeinsam auf den Weg – innerlich und körperlich, das würde mir fürs Ende reichen.

Dass ich sie überall, wo sie noch arbeiten wird, auch weiter besuchen werde, – nämlich in Peking, Seoul, in Doha bei dem Nachrichten-sender Al Jazeera, in Washington. Das weiß ich. Ich gehe sie weiter besuchen, auch wenn ich tot bin. Wir können von Räumen träumen, die sich mit etwas Gutem füllen, oder? Meine Tochter ist nun, also dann, an meinem 97. Geburtstag, schon 64, die alte Schachtel und tut noch immer so, als wäre sie 50! Aber ich liebe sie!!!!

«Ich hätte gerne ein verträgliches Ende.»

Wir, also meine Tochter und ich, schauen dann, also nun an meinem 97. Geburtstag, der auch mein Todestag ist, noch mal wie damals bei unserem ersten Besuch auf die verbotene Stadt in Peking runter, meine Tochter und ich, wir schmeißen uns noch einmal gemeinsam in die Wellen des Atlantiks bei Bordeaux, wir beobachten in unserem Garten in Bielefeld auf dem Boden liegend Regenwürmer, ich verspreche ihr noch einmal, jedes Tier, das ich retten kann, auch zu retten, wir gehen noch einmal in London gemeinsam einkaufen, besteigen den Eiffelturm und sitzen in der Jahn-Passage in Bielefeld und essen fürchterlichen gebratenen Reis mit Gemüse beim Chinesen, den sie für das Allertollste hielt, damals, als sie 12 Jahre alt war. Wir sitzen noch mal im Helikopter Richtung Krankenhaus, in dem wir saßen, als sie sich mitten im Schwarzwald den Arm gebrochen hatte und sehen uns die Tannen aus der Vogelperspektive an und stehen noch einmal auf jenem Hügel, dessen Namen ich nicht mehr weiß und schauen in jener warmen Nacht auf das beleuchtete Teheran runter und singen mit fünf Frauen und einem Bodyguard lauthals I love you, baby, …. das heißt der Bodyguard singt nicht mit…. Gegen Mitternacht, dann, wenn es soweit ist, nimmt mich meine Tochter an die Hand, wie ich es früher mal getan habe, als sie drei Jahre alt war und ich sie vom Kindergarten abgeholt habe (damals hieß es noch Kindergarten und nicht Kita) und sie führt mich zum Bett, schlägt die Bettdecke zurück, ich krieche widerstandslos unter die Decke, sie streichelt mir über den Kopf und ich schlafe beruhigt ein, weil sie ja bei mir ist und ich sowieso auf diesem letzten Weg nicht alleine bin. Mein Mann holt mich auf der Hälfte ab und wir gehen ganz einfach zu zweit, Hand in Hand weiter.
Gehen weg…. Leider höre ich meine Tochter weinen. Mist, ich sterbe zu früh, ich bin nur 96 geworden!

Frau Behrenson

Impressum

HERAUSGEBER Stadttheater Bremerhaven
SPIELZEIT 2024/2025, Nr. 4
INTENDANT Lars Tietje
VERWALTUNGSDIREKTORIN Franziska Grevesmühl-von Marcard
REDAKTION Justine Wiechmann

QUELLEN
Die Welt zwischen den Nachrichten – William Shakespeares Sonette als Medizin gegen nächtliche Einsamkeit von Judith Kuckart und Ensemble, henschel Schauspiel Theaterverlag Berlin.
Hinrichs, Dörte; Röhrlich, Dagmar; Watty, Christine Watty; Thomey, Emily. «Zuhören lernen – wie geht das?», In: Deutschlandfunk, 6. September 2023, www.deutschlandfunk.de/aktives-zuhoeren-lernen-kommunikation-100.html; letzter Zugriff am 16.09.24.

Die Texte wurden zum Teil redaktionell gekürzt oder bearbeitet.
Urheber:innen, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.

Eine koproduktion mit der bremer shakespeare company
MEDIENPARTNER Radio Bremen

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Besetzung

Ein Mikrofon mit Popschutz.

Prolog

Kurzeinführung zum Stück

Prolog

Kurzeinführung zum Stück

Einleitung zum Stück als Audio-Datei

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Ein aufgeschlagenes Buch wird in Händen gehalten. Das Lesezeichenband liegt auf der rechten Buchseite.

Thema Zuhören

Infomaterial

Thema Zuhören

Infomaterial

Die Welt zwischen den Nachrichten – Ein Abend, der nicht nur über Schauen, sondern auch über Zuhören funktioniert. Wie wichtig Zuhören in Beziehungen ist und welche Rolle Zuhören in unserer Gesellschaft spielt, zeigt dieses Infomaterial.

https://www.deutschlandfunk.de/aktives-zuhoeren-lernen-kommunikation-100.html

https://www.deutschlandfunkkultur.de/kommunikation-zuhoeren-100.html

https://www.deutschlandfunkkultur.de/konversation-nur-wer-zuhoert-lernt-auch-etwas-100.html

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Ein aufgeschlagenes Buch wird in Händen gehalten. Das Lesezeichenband liegt auf der rechten Buchseite.

Thema Einsamkeit

Infomaterial

Thema Einsamkeit

Infomaterial

Einsam oder einfach gerne allein? Manche Anrufer:innen in unserer Night Radio Show Die Welt zwischen den Nachrichten suchen Kontakt und Austausch, manche verbringen sehr gerne Zeit allein. Wie geht es Ihnen? In den Links finden Sie Informationen zum Thema «Einsamkeit». Lesen Sie gerne nach.

https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/einsamkeitsforschung/3902

https://www.deutschlandfunkkultur.de/einsamkeit-ausweg-hilfe-100.html

https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2023/05/die-vermessung-der-deutschen-einsamkeit-psychologie-forschung

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Schreibwerkstatt

Die Erschaffung der Figuren

Schreibwerkstatt

Die Erschaffung der Figuren

Die Produktion «Die Welt zwischen den Nachrichten - William Shakespeares Sonette als Medizin gegen nächtliche Einsamkeit» begann mit einer Schreibwerkstatt aller Beteiligten. Sehen Sie hier die ersten Versuche Figuren zu erschaffen und erfahren Sie, welche Rolle ein Sonett in diesem Prozess spielen kann.

Frau Behrenson

Hallo?

Ähm,hm, meine Name ist Rita, Rita Behrenson, Rita ohne H, aber Behrenson mit H. Ich wollte auch mal gerne anrufen, weil ich nicht schlafen kann und ich hab mir gedacht: «Jetzt trau ich mich auch einfach mal. Jeder macht sowas, da kann ich das wohl auch.» Ich würde mir nämlich in Ihrer Sendung mal ein Lied wünschen. Das haben Sie ja vorhin so gesagt, dass man sich auch ein Lied wünschen darf. Und ich wünsche mir von der Hildegard Knef ein Lied, das mir zur Zeit sehr am Herzen liegt. Weil es mich grade betrifft. Das Lied heißt: «WIRD HERBST DA DRAUSSEN». Das kann ich mitsingen, na ja, es ist auch eigentlich kurz. Und nicht schwer. Und da gibt es die Zeile  «Wird Herbst da draußen und in mir». Wenn’s Herbst in einem wird, merkt man, dass die Jugend nur eine wertlose, rissige Hülle ist. Das hat schon Shakespeare gewusst, dass einem nichts bleibt. Also ich hab ja nicht mal ein Kind, das ich mir anschauen könnte und sagen könnte: «So schön und jung war ich auch mal!» Und ich spüre, dass in mir nichts ist, das rühmlich wäre anzuschauen.

Und die Hildegard Knef singt das so gefühlvoll. Da fühle ich mich von ihr verstanden und angesprochen. Und ich denke, dass ich dann mit meinem Zaudern und Verzagen nicht ganz alleine bin.

Als ich mal in der Fußgängerzone entlang gegangen bin, haben mich zwei junge Männer von vielleicht 35 Jahren überholt, weil ich halt nicht so schnell zu Fuß war; da hat sich der eine dann noch mal nach mir umgedreht und hat zum anderen gesagt: «Na, bei der stimmt der Satz auch. Hinten Lyceum, vorne Museum». Er hat es zwar etwas leiser gesagt, aber ich hab es gehört. Hören kann ich nämlich noch ganz gut. Das hat gesessen und das werde ich auch nicht mehr los. Also, da hab ich mich schon auch geschämt, da frisst einen die Scham auf. Und man hätte ja auch gerne mal ein Lob. Sowas Blödes. „Denn mir bringt Schmach das Los, das mir beschert“, weil ich mich einfach ohne Nutzen und Wert fühle.

Und in dem Lied von der Hildegard Knef, das ich mir wünsche, heißt es: «Ein Unbekannter hat beschlossen, wird Herbst da draußen und in mir.» Also, wer beschließt denn das? Das wird nicht beschlossen, die Trostlosigkeit des Alters kommt schon von ganz alleine, da muss nix und niemand was beschliessen.

Vielleicht könnte ich mich selber anlügen und mein Leben besser machen, als es war? Würde mich das trösten? Wäre ich dann glücklicher? Wäre ich dann zufriedener? Ach ja, das wär auch nicht die Lösung.

Wenn ich dann mal tot bin, ist mein Name, mein Sein, mein Leben auch zu Ende und dann tut uns auch länger nichts mehr weh. Und das alles denke ich, wenn ich das Lied von der Knef höre.

Dark Lady Pilz

Der Schimmelpilz/ Schauspieler in Pilzkostüm/ Dark Lady/ Eine Pilzgeschichte/ Eine Anstifftung zum Pilstreff

oh man! Die Menschen. Ganz schön beeindruckend. Diese ganzen Probleme. Dieses ganze Gewusel psychisch lebensfähig zu bleiben. Freude zu haben. Dann konsumieren sie immer Theater oder einen kultur-Radiosender. Emphatie üben. Ein bisschen Trost gespendet zu bekommen. Dieser Pilz hier benötigt keine Empathie. Im Grunde, im Wurzelgeflecht gehts ihm gut. Ich bin ein Mehrzelliger Pilz und bilde seit über hundert Jahren mein eigenes Reich, hier in dem leerstehenden Haus. Ich bin froh das sein Besitzer, als er den Raum verlassen hat vergaß, dass Radio auszuschalten. Und Gott bin ich froh, dass es nicht Bremen 1, sondern dieser Trost spendende Kultursender ist, den er zuletzt hörte und den ich mir seit über 100 Jahren gebe. Tja. Was soll ich sagen. Es ist immer spannend, wenn das Misteriöse, dass vermeintlich Überirdische, zum Geschehen distanzierte zu Wort kommt. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich nichts zu sagen habe. Checken Sie`s halt, hier gibts nichts zu checken. Irgendwie geht der Bums einfach weiter.

Hallo! Also der junge Schauspieler hier. Also ich, der in dem Pilzkostüm, also der hat natürlich was zu sagen! (Pause) Also ganz bestimmt! Das ist ja auch wichtig für einen Schauspieler. Also generell ist das wichtig, dass man was zu sagen hat! Nicht zu letzt im Radio oder im Theater. Also dafür betritt man ja eine Bühne! Aber ich kann ihnen sagen, also wenn ich meinen ganzen Mut zusammen nehme, dass ich Ihnen im Grunde nichts zu sagen habe. So richtig gar nichts. Ich unternehme gerade nur den verzweifelten Versuch sie zu unterhalten. Also im besten Fall nicht nur so ganz oberflächlich, also mit so schlechten Witzen wie: «Stehen zwei Pilze im Wald, sagt der eine zum anderen `Na? Was geht?`sagt der andere`halts Maul, Pilze können nicht reden!» Oder «Eine Schnecke mit blauem Auge kricht über den Waldboden, als sie eine andere Schnecke trifft. Fragt die Schnecke: Warum hast du denn ein blaues Auge? Meint die andere: Ich krieche so und plöztlich springt ein Pilz aus dem Boden» naja. Das war ergooglet. Von Witze. Net. nett oder?

Also wo war ich? ah ja. Dass ich nicht nur oberflächliche Unterhaltung mache! nein ich spende Trost, in dem ich Ihnen zeige, wie schlecht man sein darf! Schauen Sie genau hien und genießen Sie wie schlecht man sein darf! Ist das nicht wunderbar!

Oh, einen habe ich noch: «Steht ein Pilz im Wald, kommt ein Hase und trinkt es aus.». Da sie gelacht haben, hier ein Glückspilz für Sie! (der verkleidete Pilz füllt ein Bier in ein Bierglas und verschenkt es)

Ich will in keinster Weise dazu anregen unpolitisch zu sein! Also das sagt jetzt wieder der Pilz, der seit 100 Jahren Nachrichten hört. Das ist mir, also dem Schauspieler darunter wichtig! Ich will nur einmal einen Abstand ermöglichen. Also wenn Sie sich jetzt doch einmal kurz in diesen Pilz hier einfühlen, so wie ich, also der Schauspieler darunter, der das ja die letzten sechs Probenwochen erfolglos veruscht hat- erfolglos, damit sie sich besser fühlen - also wenn Sie sich jetzt doch einmal veruschen in diesen Pilz hier einzufühlen, dann merken Sie vielleicht, wie weit weg all diese menschlichen Probleme sind. Sooo weit weg. Ich stelle mir Menschen oft wie Armeisen vor. Also nach allem was ich im Radio gehört habe, wuseln sie unentwegt. Die ganze Zeit. Und dann sind sie irgendwann tot.

Das spendet jetzt vielleicht nicht so viel Trost.

Aber ich wollte damit eigentlich sagen, dass Armeisen, wenn sie auf diesen zweispurigen Armeisenbahnen rennen, immer kurz innehalten, wenn ihnen eine Armeise auf der Gegenspur begegnet. Das soll sie jetzt nicht, also dass muss ich Ihnen als verantwortlicher Schauspieler im Pilzkostüm sagen, dass soll sie jetzt um Gotteswillen nicht dazu anregen auf der Autobahn eine Vollbremsung zu machen, wenn Ihnen jemand auf der Gegenfahrbahn begegnet, das ist gefährtlich! Aber dass es doch toll ist sich zu begegnen. Und das darin ja auch der Mehrwert liegt! Also im Leben! Also ich kann Ihnen sagen, nach all den Jahren alleine mit diesem scheiß Kultursender bin ich heil froh Menschen zu begegnen! Ich habe auch einen richtigen Redeschwall!Uiuiui!

Tja. Wenn sie sich jetzt richtig eingefühlt hätten, hätten sie mir gesagt: «Halts Maul! Pilze können nicht reden!»

Oh ha! Und da hab ich ja vielleicht doch was zu sagen!! Also ich, der Schauspieler darunter! Ein sprechender Pilz! Das geht doch eigentlich gar nicht! Aber was wenn doch! Das wäre ja eine richtige Utopie! Was, wenn all diese Konflikte und Probleme, die sich dieser Pilz schon seit 100 jahren anhören muss, was, wenn die doch lösbar sind? Was, wenn wir so viel kultur Radio und Theater konsumiert haben, dass wir uns wirklich in das gegenüber einfühlen können? In die Armeise gegenüber! Also in den Menschen, den anderen, also einen Menschen der nicht ich bin. Vielleicht sogar in einen Pilz! Vielleicht denke ich das nächste mal, wenn ich in der Neustadtschänke einige Pilze getrunken habe und auf der anderen Straßenseite mit heruntergelassener Hose am Baum stehe daran, dass man mit dem Urin sowohl dem Baum, als auch den an den Wurzeln wachsenden Pilzen nicht gut tut!

Also das tät uns allen doch gut! Wenn wir uns in der Neustadtschenke treffen, Pilzchen trinken und uns gegenseitig zuhören. Auch mal länger. Es müssen ja nicht gleich 100 jahre sein, aber mal für einen Moment. Auch wenn die gegenübersitzende Armeise nicht Teil meiner politisch-gesellschaftlichen Bubble ist - das haben wir ja jetzt gemeinsam geübt. Also das mit der Emphathie. Also morgen Abend 19 Uhr! Armeisen treffen auf ein Pilz! In der Neustadtschenke!

Anmoderation des Abends. Gemeinsamer Chor. Etwas in der Art. Je nachdem, was der Abend wird. Über einen gemeinsamen Versuch. Als Chor mit großen Gesten.

Es ist SCHÖN. Also draußen ist es SCHÖN. Um so SCHÖNER ist es, dass IHR, mit UNS hier drinnen seid. Das WIR. Das WIR für 80 Minuten, ja, es wird kürzer als der Tatort, ah, wie angenehm, also das WIR gemeinsam sind. TROTZ allem. TROTZ der teuren Karten. TROTZ der politischen Weltlage und TROTZ des schönen Wetters hier drinnen, ja das WIR hier drinnen....ja was eigentlich? Verhandeln? Fragen? Hoffentlich nicht erklären. TROST spenden!

Oh. Also ja. Das klingt jetzt sehr von OBEN herab. Aber WIR sind ja auch hier OBEN und SIE sitzen da UNTEN. Also WIR kommen jetzt mal runter. (Chor klettert sie Bühne runter)

So, jetzt wo wir alle mal RUNTER GEKOMMEN SIND gehen wir wieder mal besser wieder da hoch und versuchen auf AUGENHÖHE uns gegenseitig TROST zu spenden.

Anmoderation der Radioshow. Alles aus Demian, Hesse. Sätze, die mich begleiten.
Das Leben war wieder voll von Anhnung und bunt, geheimnissvoller Dämmerung!
Das Leben stand um mich her wie ein Ausverkauf alter Sachen.
Der Einfluss dieser Verliebtheit auf mein Leben war gewaltig!
Um meine Geschichte zu erzählen muss ich weit vorn anfangen.
Dieser Tag brach für mich an als ein feierlicher Festtag, wie ich seit den Weihnachtsfeiern meiner Knabenzeit keinen erlebt hatte.
So fällt um einen herbstlichen Baum her das Laub, er merkt es nicht. Regen rinnt an ihm herab, oder Sonne, oder Frost und in ihm zieht das Leben sich langsam ins Engste und Innerste zurück. Er stirbt nicht. Er wartet.

Frau Winter

Sarah Winter hält drei Bücher in der Hand:

(aus dem Sonette 116) love is not love

Which alters when it alteration finds,

Or bends with the remover to remove

Ja, die wirkliche Liebe währt ewig, nur Verliebtheit kommt und geht, wellt sich und bleibt unbeständig. Du kannst Dich nicht darauf verlassen. Die wahre Liebe ist unbeugsam, kraftvoll, beständig, unverfroren, gewaltig.

Der Salzpfad von Raynor Winn oder Stimmen von Christa Wolf. Beides war so einschneidend. Die Stimmen sind schon etwas verklungen, auch wenn ich sie gerade nochmal gelesen habe. Der Salzpfad eignet sich besser für die Radioshow, weil es für mich gerade so aktuell ist. Oder eben doch lieber Shakespeare?

Ich seh viel mehr, mach ich die Augen zu.

Profanes nur sehn sie zur Tageszeit;

Doch wenn ich schlaf, erscheinst im Traum mir du,

Traums Dunkelhell erhellt die Dunkelheit.

Kaum zu glauben, spielt der doch Nights in white satin und ich hatte gerade diesen Traum. Das muss doch irgendetwas bedeuten.  In meinem Traum standest Du im Schatten eines Baumes, ja du warst es, der mit der besonderen Stimme, die so sanft klingt, als könntest du in der Stille hören, was man am anderen Ende der Leitung fühlt.

Im Traum schien das Mondlicht. Du lehntest dich an den Baum, ein Bein angewinkelt, es war ein großer Baum. Du hattest einen Hut auf und ein Grashalm in der Hand wie eine Zigarette. Du standest ganz im Dunkeln, aber dein Hut war weiß und ich konnte deine Augen sehen, wie in einem schwarz/weiß Western. Und du hast gesprochen, wie in deiner Show und dann hast du kurz den nächsten Song angesungen. Und das war Nights in white satin! Das ist doch unglaublich! (sie singt es leise an) Nights in white satin, Never reaching the end, Letters I've written, Never meaning to send… (summt: cause I love you)”…

(ihr fallen die Bücher vom Schoß, eine Katze ). Ach Minzi, hast Du mich erschreckt.

Man, jetzt ist die Sendung gleich vorbei und ich war immer noch nicht dran. 0800156156 Dauerschleife. Alle Worte sind zurechtgelegt. Am besten ich wiederhole es noch mal damit ich gleich nicht rumstottere. Also, er fragt welches Buch hat dich inspiriert, ich antworte:

Der Salzpfad ist das Buch, dass ich kürzlich gelesen habe, als ich noch richtig gut sehen konnte. Bei mir wurde kürzlich der grüne Star diagnostiziert. Aber das Buch hat mich wirklich sehr berührt und ermutigt, sich auch in schweren Zeiten ein Ziel zu suchen, einen Pfad an den man sich hält. Seit dem laufe ich alle Wege ab und präge mir alles ein; den Geruch, die Geräusche, wie viele Schritte bis zur Kreuzung. Ich sehe alles bewusst und intensiv, um es abzuspeichern, obwohl alles schon verblasst. Der Salzpfad von Raynor Winn ist ein autobiografisches Buch und beschreibt Raynor und ihren Mann Moth auf ihrer beschwerlichen Wanderung entlang des Southwestcoastpaths. Englands bekanntestem Küstenweg. Alles, was Raynor und Moth noch besitzen, passt in einen Rucksack. Sie haben alles verloren - ihr Zuhause, ihr Vermögen und Moth seine Gesundheit. Mit einem kleinen Zelt machen sie sich auf, den gesamten Coast Path, 1000 km zu wandern.

Hier sind die Nächte wirklich dunkel. In wilder Natur, abseits der Zivilisation. Diese Geschichte ist so archaisch, so berührend, es ist eine Liebesgeschichte, eine Liebesgeschichte an das Leben, an ihren Mann und vor allem an die Kraft der Natur. Das Buch hat mich so in seinen Bann gezogen, ich war gar nicht mehr im Jetzt sondern irgendwie mit ihnen auf der Reise und das war so ergreifend und tat auch so gut, als wäre man mit ihnen allein auf die Natur zurückgeworfen im Rauschen von Wind und Wellen. Dieses Zitat von Raynor zu ihrem Mann möchte ich unbedingt loswerden:

«Du kannst nicht krank sein, ich liebe dich doch!» Als wäre es genug, ihn zu lieben. Es hatte immer genügt, mehr hatte ich nie gebraucht, aber jetzt würde es uns nicht retten.»

Obwohl ich weniger sehe, erlebe ich gerade alles so intensiv. Ich möchte nichts verpassen, ich will des Leben und das gesehene einsaugen und konservieren. Und lieber Will, ich muss Dir etwas gestehen: Du gibst mir Trost im Hören. Und ich möchte wissen ob du Stimmen sehen kannst? 

Rosa

Immer wenn ich wieder bei den Wellen bin, dann wünsche ich mir so sehr,
wie das Meer zu sein,
unbehelligt von Mensch und Zeit,
Hell und Dunkel,
Winter und Sommer,
Stürmen und Stille,
nur mir selbst verpflichtet
und dem ewigen Rauschen und Fließen, immer da,
und höchstens durch den Wind aus der Ruhe zu bringen,
aber auch in schlimmen Stürmen und Orkanen wär ich niemals verloren oder ausgeliefert,
zu keinem Zeitpunkt hilflos oder allein,
immer schön, auf meine ganz eigene Art,
mal rauh, mal sanft,
im Verbund der Wellen und der Gezeiten
Und niemand würde mir jemals einen Vorwurf machen:
«wie ich denn heute wieder bin»...
Kurzum: ich würde einfach akzeptiert ohne Gegenforderungen,
von nichts angekratzt, mitgenommen oder beschädigt,
Ich wäre die Welt zwischen den Nachrichten
und selbst von dieser Epidemie da,
hätte mir nur der Wind ein Lied erzählt!

«Unser Wille ist nur der Wind,
der uns drängt und dreht,
weil wir selber die Sehnsucht sind,
die in Blüten steht.»

Manchmal würde ich mit meinen Wassern vielleicht auch gerne in den Hafen kommen und etwas ausruhen, nur ein bisschen an die Kai Mauern plätschern und endlich einmal schlafen...

«Wie soll es denn nun besser mit mir werden, Wenn mir der Ruhe Wohltat bleibt versagt?»

Und die Zeiten, da die Mutter dem schlaflosen Kind ein «Steckkissen» gemacht hat: alle Körperteile unter die Decke, nur das Köpfchen schaut ein bisschen raus und das Deckbett eingeschlagen um das Kissen herum - Schutz vor allen bösen Geistern und anderem Nacht Ungemach, waren auch vorbei...

( Hier könnte der/ die Radiomoderator/in mit dem Anrufer auch einfach ein Steckkissen machen ...à la:
Wollen wir das jetzt einfach kurz machen falls es Ihnen hilft?Ja?
Dann stellen Sie sich einfach mal  vor, Sie liegen da, ruhelos, die Gedanken nicht loswerdend und da kommt die Mutti ( Dark Lady??), nimmt langsam die Zipfel der Bettdecke, macht alle Spalte zu und steckt einen Schutzraum und Sie können beruhigt ganz langsam einschlafen...)

Und doch sehn ich mich dann aber  auch danach, mal irgendwo anzukommen, anzulanden, vielleicht sogar bei einem anderem Menschen,  irgendeiner verwandten Seele?
Nach dem «in Ruhe gelassen und unabhängig sein» vom Meer, sich vielleicht doch  -  endlich bei sich - ein bisschen zu verbinden, das Glück zu verdoppeln...
Oh mein Gott, was red ich denn da, uahhh...alles völlig pathetisch, aber ist ja auch schon spät, verzeihen Sie und ich hab, glaub ich, vielleicht zu viele Therapien gemacht und auch einfach zu viel gelesen... nachts, wenn ich nicht schlafen konnte!
Mannomann!
Oh Gott, da fällt mir ein Gedicht ein, darf ich das mal kurz sagen, wenn ich es noch zusammen kriege, in Teilen?

Bammbammbamm...
«... denn das ist keine Liebe,
Die sich, wenn sich was ändert, ändern kann...
Oh nein! Sie steht, ein Zeichen, wetterhart,
Das Stürmen trotzt, nie wankt und ewig währt (Als Stern fürs Schiff auf ungewisser Fahrt,
Des Wesen man, trotz Peilung, nie erfährt .)»

... also sehen Sie, schon wieder Wellen, Sturm und Schiffsverkehr! Das hat doch irgendwas zu bedeuten, dass mir das nicht aus dem Kopf geht, das hängt doch alles irgendwie zusammen!! Ahhh .. aber weiter:

«Die Liebe ist kein Narr der Zeit : und mäht
Die Sichel Rosenwangen Schlag auf Schlag die Liebe schwindet nicht, wenn Zeit vergeht Sie hält ihr stand bis an den jüngsten Tag!»

Ja ...so weit so gut, will ja vermutlich ungefähr jeder, aber neben dem Meer wär das schon auch ganz schön!
So, jetzt habe ich aber wirklich genug erzählt, kann ich mir vielleicht noch was wünschen?
Das ist doch hier auch ne Musiksendung, oder?
Vielleicht La mer von Jacques Prévert, glaub ich oder von dem anderen Jacques, also dem Brel Ne me quitte pas?
Da läuft er nämlich in dem Video 5 Minuten am Strand entlang und schreit das ewige Meer an!

Das wär toll, aber wenn nich, dann nich....
Erstmal  vielen Dank fürs Zuhören, ich mach dann mal weiter...
Gute Nacht!

Bea

Die Frage nach dem innerer Kern scheint Sicherheit zu geben. Wenn ich zum Beispiel eine Blume nehme, dann scheint es mir, dass ich alle ihre Blüten abschneiden muss, alles, was nur Schmuck sein könnte, damit ich sie verstehe. Es bleibt nicht viel übrig und leider ist die Folge, dass die Blume nicht mehr ist. Hab ich sie zumindest hinterher verstanden? Nicht wirklich. Wie erkenne ich dann die Blume, wie begreife ich sie? Ich frage andauernd warum. Ist das echt? Ist das wahr? Und führe gleichzeitig das Wort, wenn es darum geht festzustellen, dass es Wahrheit gar nicht gibt. Oh, wie schön ist dieser Zustand, welche Freiheit ohne Wahrheit. Ich bin die personifizierte Ambivalenz. Mein Herz sagt: erkenne. Mein Kopf sagt: begreife. Also flitze ich tagtäglich zwischen zwei Gegensätzen hin und her. Bestimmt geht das allen Menschen so. Du bist nicht besonders, glaub das nicht. Du ragst nicht heraus, du hängst auch nicht hinterher. Vielleicht bist du nur ein wenig misstrauischer als alle anderen? Oder stell dir das vor: es sind alle genauso besorgt. Während sie arbeiten, laufen, schlucken, schlummern, schäkern nur beschäftigt mit der Flitzerei im eigenen Kopf: Ist es nicht wichtig, dass…?! Ich müsste doch…?! Ich werde jetzt…?! Was für eine Verschwendung an Zeit und Energie wäre das.

Herr Gerlach

Das Sonett eines Talk-Radio- Moderators.

103

Was red’ ich nur für kümmerlichen Mist,
So daß - bei solchem Stoff für meine Nacht -
Ein jeder Anruf einfach mehr wert ist.
Als jeder Kommentar den man noch macht.

Verzeiht mir, wenn ich nichts mehr sagen will.
Seht euer Leben, hört euch selber an.
Das lässt mich schweigen, macht mich still.
Da reicht meine Erfahrung nicht heran.

Ist’s da nicht schlimm, aus Sucht nach Attraktion,
Das was so reich und voll ist, zu verschandeln?
Und welchen Sinn hat meine Sendung schon?
Von eurem Leben und sonst nichts soll’s
handeln.

Und mehr, viel mehr als noch ein Satz von mir
Zeigt dir dein Leben, schaust du’s an, von dir.

Umgebaut von M.Seuß/ M. Gerlach

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Über Judith Kuckarts Roman

Beitrag von WESTART (WDR)

Über Judith Kuckarts Roman

Beitrag von WESTART (WDR)

Judith Kuckarts Roman «Die Welt zwischen den Nachrichten»

Stand: 27.08.2024, 14:13 Uhr

Judith Kuckart, 1959 in Schwelm geboren und aufgewachsen, ist Tänzerin, Choreografin, Regisseurin und Schriftstellerin. 1990 hat sie ihren ersten Roman "Wahl der Waffen" veröffentlicht. Seither wurde sie mit zahlreichen Literaturpreisen geehrt. 

Jetzt erscheint ihr neuer autofiktionaler Roman "Die Welt zwischen den Nachrichten". Die Autorin verknüpft darin markante historische Ereignisse mit persönlichen Erinnerungen, erzählt von Zufällen und unerwarteten Begegnungen, die den Lauf ihres Lebens ebenso wie das Weltgeschehen beeinflusst haben. So entsteht aus vielen Puzzleteilen das Tableau einer Vergangenheit, in der zwar alles so gewesen ist, aber nichts genauso stattgefunden hat. Judith Kuckart verwebt aus Phantasie und Realität eine "Welt zwischen den Nachrichten", die die Erfahrungswelt einer ganzen Generation lebendig werden lässt.

Autor des TV-Beitrags: Eic Brinkmann

Judith Kuckart: Die Welt zwischen den Nachrichten.
Dumont Verlag 2024, Preis: 24 Euro

WESTART (WDR)
vom 31. August 2024

Zum Beitrag: https://www1.wdr.de/fernsehen/west-art/sendungen/judith-kuckart-die-welt-zwischen-den-nachrichten-100.html

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