Programm
FRANZ SCHUBERT
Streichquartett Nr. 14 d-Moll D 810
«Der Tod und das Mädchen»
Allegro
Andante con moto
Scherzo. Allegro molto – Trio
Presto
PAUSE
ERICH WOLFGANG KORNGOLD
Streichquartett Nr. 2 Es-Dur op. 26
Allegro
Intermezzo. Allegretto con moto
Larghetto. Lento
Waltz. Tempo di Valse
PHILIP GLASS
String Quartet No. 3 «Mishima» VI. Mishima / Closing
PAUL MCCARTNEY
The Long and Winding road
(arr. Aaron Hettinga. Album: Let it be)
JOHN LENNON
Come together (Album: Abbey Road)
PAUL MCCARTNEY
Yesterday (arr. Jirka Kadlec. Album: Help)
PAUL MCCARTNEY
Hey Jude (arr. Jirka Kadlec. Album: Hey Jude)
Alle Beatles-Songs erschienen unter dem gemeinsamen Copyright «Lennon/McCartney»
GOLDEN GATE TO «ABBEY ROAD»
Franz Schuberts (1797–1828) Musik ist immer autobiografisch. 1824 entstand sein Streichquartett mit dem Beinamen Der Tod und das Mädchen. Aus demselben Jahr stammt ein stellenweise beklemmender Brief an seinen Freund Leopold Kupelwieser. Darin nennt er sich den «unglücklichsten, elendsten Menschen auf der Welt», von seiner (durch Syphilis) ruinierten Gesundheit, von Schmerz und Verlustängsten. In diesem Spannungsfeld bewegt sich der ganze erste Satz. Das langsame Andante zitiert das 1817 auf ein Gedicht von Matthias Claudius komponierte, titelgebende Lied. Es singt von Abwehr, Wut, Resignation und Akzeptanz in der letzten Phase des Lebens. Diese Stimmung prägt den eher verhaltenen Variationssatz. Unvermittelt beginnt das Scherzo. Die Musik kommt nicht zur Ruhe, auch nicht im terzenseligen Trio. Ebenso wenig im nervösen Schlusssatz, einer rondo-artigen Tarantella. Virtuose Unisono-Passagen und Abschnitte, in denen die einzelnen Stimmen hintereinander herjagen, treiben die Musik nach vorne, bis zu einer nochmal beschleunigten Coda, die von zwei Akkorden beendet wird – im Fortefortissimo. Wie gemeißelt.
Erich Wolfgang Korngold (1897–1957) war das Wunderkind der klassischen Musik des beginnenden 20. Jahrhunderts. Sein Vater war einer der einflussreichsten Publizisten des musikalischen Feuilletons. Mit 11 Jahren schloss dieser für ihn seinen ersten Verlagsvertrag ab, 1920 erlebte seine bis heute erfolgsreichste Oper Die tote Stadt ihre Uraufführung und war ein Jahr später bereits an der MET in New York zu sehen. Das Streichquartett Nr. 2 entstand 1933 während des letzten ungetrübten Sommeraufenthalts in seinem Ferienhaus in der Nähe von Salzburg. Im Jahr darauf verließ er Europa in Richtung Hollywood, um seine erste Filmmusik zu schreiben. Die sich daraus ergebenden Kontakte erlaubten es ihm, in die USA zu emigrieren und sich und seiner Familie das Leben zu retten. Das Quartett wirkt dadurch wie ein Resümee seiner in und für Europa komponierten Musik. Ein auftaktiges Fanfarenmotiv bestimmt den ersten Satz und verleiht ihm eine Strenge, die Korngold durch raffinierte Harmoniewendungen aufweicht. Das folgende Intermezzo besticht mit seinem volkstümlichen Charme voller Witz und Wärme. Wie aus einer anderen Welt klingen die liegenden Akkorde zu Beginn des langsamen Satzes, der erst im zweiten Anlauf seine gesangliche, wehmütige Atmosphäre entwickelt. Eine mitreißende Walzerfantasie beendet als hochvirtuoser Kehraus das Quartett.
Mishima / Closing ist der letzte Satz des dritten Streichquartetts von Philip Glass (* 1937). Ursprünglich war das Quartett Teil der Musik zu einem Film über den japanischen Autor und Agitator Yukio Mishima, der in einem dramatischen Putschversuch ganz Japan zwingen wollte, zu seinen jahrtausendealten Traditionen zurück-
zukehren. Der Versuch scheiterte, und er nahm sich im rituellen Seppuku das Leben. Wehmütig blickt danach der Film auf Mishimas Kindheit zurück. Dazu baut die Musik über einem pulsierenden Violoncello harmonische Klangflächen auf, die bis zum endgültigen Verklingen fast hypnotisierend zwischen Spannung und Auflösung schweben.
Über The Long and Winding Road sagte Paul McCartney (* 1942) in einem Interview: «Es geht um all das Unerreichbare. Die Tür, die du wahrscheinlich nie öffnen wirst … den Weg, den du nie bis zu seinem Ende wirst gehen können.» Come Together entstand ursprünglich aus John Lennons (1940–1980) Idee, einen Song aus einem Wahlkampfslogan «Come togehter – join the party» zu schreiben. Dazu kam es nicht. Das Lied wurde zum grandiosen Auftaktsong des Abbey Road-Albums und eine große Feier des Lebens. Yesterday fiel Paul McCartney förmlich im Schlaf ein. Aus diesem Einfall wurde eine wunderbar melancholische Ballade im Nachsinnen über eine zerbrochene Beziehung und die Trauer um das «Gestern», bevor die Liebenden auseinandergingen – und auch über das Einsehen eigener Fehler. Paul McCartneys Song Hey Jude entstand für John Lennons Sohn Julian. So wollte er ihn über die Trennung seiner Eltern hinwegtrösten. Wenn er den Mut fände, in die Welt hinauszugehen, würde er dort Menschen finden, die ihm helfen, sein eigenes Leben wieder zu verbessern.
Hermann Keßler
Impressum
Philharmonisches Orchester Bremerhaven
SPIELZEIT 2025/2026
REDAKTION Markus Tatzig, Torben Selk
SATZ Nathalie Langmaack