Thomas Weinhappels Anspruch an sich selbst ist und war es schon seit seiner Zeit als Altsolist der Wiener Sängerknaben und später an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst, die er als Master of Arts mit Auszeichnung abschloss, aus seinem für ihn typischen Optimismus die Zukunft zu gestalten und Herausforderungen anzunehmen. Solcherart nutzte er die durch Corona erzwungene Pause, vor der er – noch als lyrischer Bariton – Figaro (Der Barbier von Sevilla, Rossini, Kirchstetten 2018), Wolfram (Tannhäuser, Berlin 2019), Marcello (La Bohème, Klosterneuburg 2022) und Hamlet (Hamlet, Thomas, Prag und Pilsen 2017 und 2018) sang, sich zum Heldenbariton weiterzuentwickeln. Wiewohl er gerade für seinen lyrischen Hamlet noch 2017 die beiden ranghöchsten tschechischen Opernpreise (Thalia Award mit dem Titel Bester Opernsänger des Jahres und Libuska Award für die außergewöhnlichste Rolleninterpretation der Kritiker-Jury des Festivals OPERA) erhielt, waren diese Erfolge für ihn kein Endziel. Im Gegenteil: Er verwendete die Lockdown-Zeiten, sich selbst vor allem im deutschen Fach neu zu erfinden und damit – getrieben von seinem Optimismus – aus auf den ersten Blick Negativem Positives zu generieren. Nicht verwunderlich, dass allein schon deshalb für ihn Bösewichter (wie Kaspar, Pizarro und Klingsor) und Scheiternde wie Wotan, Telramund und Holländer ungemein attraktiv sind.
Die Neugier, sich ausgerechnet mit dunklen Charakteren zu beschäftigen, weckten schon zu Beginn seiner Karriere, die er 2003 als Leonetto im Stadttheater Bern begann, Regisseure wie Christoph Schlingensief (Mea culpa, Burgtheater Wien, 2008), Otto Schenk (Ralph und Carol, Berlin 2012) und Michael Haneke (in dessen Film Die Klavierspielerin er mitwirkte). Weinhappel könne aus Rollen Menschen machen, so Haneke, womit er Weinhappels Überzeugung evozierte, dass Kunst – und da im Speziellen die Oper – nicht irgendwas neben dem eigentlichen Leben, sondern vielmehr wunderbarer Bestandteil unseres Seins ist, man sie nicht abkoppeln, sondern sie wieder auf die Füße stellen muss, klar und energisch – für das Publikum, um es zu berühren.
Getragen von diesem Selbstverständnis erarbeitete er sich Rollen wie Lukas (Schlafes Bruder, Wien 2009), Escamillo (Carmen, Singapur 2016), Tarquinius (The Rape of Lucretia, Ostrava 2018), Don Giovanni (Don Giovanni, Paris 2020), aber auch Werke wie die großen Liederzyklen Schuberts (Winterreise und Schöne Müllerin, Wien 2018), Schumanns (Dichterliebe, Wien 2020), Mahlers Lieder eines fahrenden Gesellen (Budapest 2013) sowie 2018 in Sofia in Mahlers 8. Sinfonie als Pater ecstaticus, ebendort 2021 Mahlers Lied von der Erde und im zeitgenössischen Bereich (Carmina Burana, Grafenegg 2015, Graz 2019 und Staatsoperette, Bregenzer Festspiele 2016).
Bedingt durch die Konfrontation mit dem Leid betroffener Familien begann er 2017, für die internationale Patientenorganisation der an Neurofibromatose erkrankten Kinder Benefizkonzerte zu organisieren, bei denen er auch selbst mitwirkt. Mit Stolz erfüllte ihn die Ernennung zu deren österreichischem Kulturbotschafter.
Mit der Jahreswende 2022/2023 feiert er an der Nordsee sein Debüt als Webers Kaspar – seiner zweiten Rolle im neuen Fach als Heldenbariton – wo er in Österreich als Wotan (Donaufestival 2021) von der Kritik gefeiert wurde.