MN: Es ist schwierig, den eigenen Stil zu beschreiben. Trotzdem möchte ich Dich um eine Beschreibung bitten, aus der hervorgeht, wo Du den Akzent Deiner Ästhetik setzt.
MM: Ich folge keiner präzisen ästhetischen Denkweise, sondern ziehe es vor, ein vielseitiger Komponist zu sein, frei von ideologischen Schemata. Mein einziges Interesse ist es, aufrichtige Musik zu schreiben, die das repräsentiert, was ich bin: ein neugieriger Musiker, der Musik komponieren möchte, die das Publikum anspricht und miteinbezieht, ohne die Komplexität der Gedanken zu vernachlässigen.
MN: Du hattest immer schon eine große Nähe zu anderen Musikstilen. Ist die Integration verschiedener Stilistiken in die zeitgenössische Tonsprache ein Thema, das Deine Arbeit beeinflusst?
MM: Ja, ich bin ein großer Anhänger der Synthese der musikalischen Stile, ein Prozess, der mich sehr fasziniert und inspiriert. Zum Beispiel beeinflusst mich traditionelle japanische und afrikanische Musik. Ich liebe Jazz – improvisierte
Musik hat mich schon immer gereizt. In den letzten fünfzehn Jahren, seit ich mich regelmäßig der Oper widme (ich habe sechs Opern geschrieben), haben Claudio Monteverdi und Luciano Berio meine Musik, die einen stark theatralischen
Charakter hat, tiefgreifend beeinflusst.
MN: Du hast eine Oper komponiert, die den faschistisch motivierten Bombenanschlag in Deiner Heimatstadt Brescia 1974 thematisiert. Das macht Dich nach Ansicht vieler zu einem politischen Komponisten. Wie ist Deine Haltung dazu?
MM: Alle meine Opern und viele Orchester- oder Kammermusikwerke behandeln politische oder soziale Themen. Ich glaube, dass der Künstler die Pflicht hat, mit seinen Werken das Publikum zum Nachdenken anzuregen, indem er verschiedene
Haltungen und Standpunkte zu aktuellen Themen einander gegenüberstellt. Ich stamme aus einer atheistischen Arbeiterfamilie, die politisch der Linken nahesteht. Wenn man mich als politischen Komponisten einstuft, freut mich das, denn es
bedeutet, dass ich mit meinen Werken in der Tradition meiner Herkunft stehe.
MN: In dieser Saison werden wir die Weltpremiere Deines Klavierkonzertes hören. Wie sehen die ersten Schritte in der Entwicklung des Werkes aus?
MM: Im Moment ist es schwierig, ich bin auf der Suche nach Inspiration, ich lese Bücher und Gedichte, die in irgendeiner Weise das Thema widerspiegeln oder beschreiben, dass Du mir vorgeschlagen hast (Anm. MN: Natur). Ich beginne immer gerne mit dem Titel der Komposition, wähle einige Verse aus oder extrahiere eine Beschreibung von Orten oder Figuren aus einem Roman, das beflügelt die Inspiration, hilft mir, eine Dramaturgie, eine Erzählung, eine Verbindung mit dem Zuhörer zu schaffen. Ich kann schon sagen, dass es sich um ein Konzert handeln wird, bei dem ich mich um eine Musiksprache bemühen werde, die sich auf das Wesentlich fokussiert. Ich möchte einen ausgewogenen und brillanten Dialog zwischen dem Klavier und dem Orchester komponieren. Zur Zeit finde ich es sehr inspirierend, Klaviermusik von Mozart, Haydn, Ravel, Schubert und Lennie Tristano zu hören. Diese Werke (und viele andere) helfen mir, eine Richtung zu finden, eine präzise Idee für die virtuose Klangsprache, die mir vorschwebt. Ich bin gespannt, in welche Richtung mich dieses aktuelle Thema, das unsere Gegenwart so sehr bewegt, trägt. Aber das wirst Du nächstes Jahr herausfinden.