Tartüff oder Der Geistige

Komödie von John von Düffel sehr frei nach Molière
// Uraufführung

ab 5. Oktober 2024 // Kleines Haus

DAUER: ca. 2 Stunden, 10 Minuten inkl. Pause

geeignet ab 14 Jahren

Vorstellungstermine

28.12.2024 um 19:30 Uhr Karten
04.01.2025 um 19:30 Uhr Karten
18.01.2025 um 19:30 Uhr Karten
31.01.2025 um 19:30 Uhr Karten
09.02.2025 um 15:00 Uhr Karten

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Was tun, wenn der eigene Lebensstandard bedroht ist? Wenn die Geschäfte schlecht laufen und die Preise steigen? Orgon verlässt sich in dieser Krise auf seinen Freund Tartüff, der Wasser predigt und heimlich Wein trinkt (und zwar den von Orgon). Ganz und gar nicht amüsiert über Orgons Spardiktat sind seine zweite Frau Elmire sowie seine Kinder Mariane und Damis – die hoffen auf sein Geld und geben es prophylaktisch schon mal aus, bevor sie es geerbt haben. Nur Orgons Mutter Madame Pernelle steht an Tartüffs Seite, obwohl ihr eigenes Luxusleben mit schuld an Orgons Not ist. John von Düffel verknüpft pointiert und sehr komisch Molières Figuren mit der heutigen Doppelmoral, wenn es um die Grenzen unseres Wohlstandes geht.

INSZENIERUNG Tim Egloff
BÜHNE & KOSTÜME Luisa Wandschneider
DRAMATURGIE Peter Hilton Fliegel, Justine Wiechmann
LICHT Thomas Güldenberg

 

MADAME PERNELLE Kay Krause
ELMIRE Julia Lindhorst-Apfelthaler
DAMIS Justus Henke
MARIANE Anna Caterina Fadda
ORGON Marc Vinzing
TARTÜFF Henning Z Bäcker

 

INSPIZIENZ Florian Thiel
SOUFFLAGE Birgit Ermers

Besetzung

Ein Mikrofon mit Popschutz.

Prolog

Kurzeinführung zum Stück

Prolog

Kurzeinführung zum Stück

Einleitung zum Stück als Audio-Datei

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Tartüff

Was, wenn Tartüff Recht hat?

Tartüff

Was, wenn Tartüff Recht hat?

Er ist eine der berühmtesten Theaterfiguren, dieser Tartüff. In der traditionellen Lesart, und wohl auch so von Molière intendiert, ist er der frömmelnde Heuchler, der Wasser predigt und Wein trinkt, und an dem schön gezeigt werden kann, dass Menschen sehr gerne von Gurus hinters Licht geführt werden wollen. Und wenn sie es dann merken, dem vermeintlichen Verführer das Fell über die Ohren ziehen, weil der Blick in den Spiegel selbst dann noch zu hart wäre.

All das ist natürlich unverwüstlicher Komödienstoff. Das weiß auch John von Düffel. Aber das alleine wäre zu wenig. Geschickt und mit großem sprachlichen und erzählerischen Charme nimmt sich der Autor die Figuren von Molière, kreuzt Motive aus Tartüff mit Handlungsfäden aus dem Geizigen (einem weiteren berühmten Stück des französischen Autors) und gießt das Ganze in ein Amalgam, aus dem sich nicht weniger ergibt als eine gänzlich neue Komödie, die mit feiner Spitze und viel Wohlwollen auf unsere Unzulänglichkeiten schaut.

Dass die ökonomischen und ökologischen Sollbruchstellen uns in den kommenden Jahren in Atem halten werden, wird wohl keiner mehr bestreiten. Auch nicht, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt haben, vermutlich seit der Industrialisierung, mit Sicherheit aber seit dem Sieg des neoliberalen Kapitalismus der letzten 50 Jahre. Warum also leisten wir uns weiterhin ziemlich unbekümmert den Widerspruch, dass wir einerseits erkennen, dass wir uns einschränken sollten und andererseits, wenn es drauf ankommt, (fast) immer darauf bestehen, dass erstmal andere damit anfangen sollen. Und wenn es uns trifft, darf die Einschränkung bitte nicht weh tun oder muss durch staatliche Subventionen abgefedert werden.

Warum fällt uns die Einsicht so schwer, dass wir die Grenzen des Wachstums erreicht haben und dass es ab jetzt darum gehen muss, eine Lebensform zu finden, die auf Gleichgewicht basiert?

All diese Fragen stellt der neue Tartüff. Und das tut er relativ unaufgeregt und eigentlich ziemlich nüchtern. Dass Orgon und seine Familie ihm dabei zwar unterschiedlich gerne zuhören und ihn wahlweise feiern oder verdammen, ist das eine. Dass sie ihm aber allesamt nicht zugestehen, dass er neben seinen inhaltlichen Argumenten auch ein Mensch mit ganz normalen Bedürfnissen ist, das ist schon ziemlich entlarvend – für uns. Und das ist das große Vergnügen beim Betrachten dieses Stücks, dass Düffel uns so lustvoll vorführt, was für unvollkommene, uneinsichtige Egoisten wir doch sind.

 Wo das alles hinführt, überlässt der Autor wohlweislich uns. Sonst würde er am Ende ja noch selber zum Tartüff. Und das würde es uns wieder zu einfach machen. Nein, wir müssen uns schon selbst an die eigene Nase packen.

Peter Hilton Fliegel

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Portraitfoto von John von Düffel. Er trägt eine Brille und lächelt. Er hat kurze Haare und trägt ein dunkles Oberteil.

John von Düffel

Biografie

John von Düffel

Biografie

Geboren am 20. Oktober 1966 in Göttingen hat John von Düffel große Teile seiner Kindheit nicht in Deutschland verbracht. Die Familie lebte in den 1960ern in Derry, Nordirland und in den 1970ern in South Dakota. Aus der Zeit in Nordirland stammt übrigens der «John», der ihm ursprünglich als Rufname auf der Straße zugeflogen ist und dann von der Familie übernommen wurde. Es ist zu vermuten, dass aus dieser Zeit neben dem Namen auch die Liebe zur englischen Sprache stammt, die sich einerseits in den Übersetzungen englischer Theaterstücke zeigt, aber andererseits auch in einem Stil, der von großer Leichtigkeit bei pointierter Präzision geprägt ist.

Nach dem Abitur in Oldenburg 1985 studierte Düffel Philosophie, Germanistik und Volkswirtschaftslehre in Schottland und Freiburg. Nach einer Promotion im Fach der Philosophie hat Düffel sich dem Schreiben und dem Bearbeiten von Texten zugewandt, als Journalist, Schriftsteller und Dramaturg. Die großen Stationen an deutschsprachigen Theatern waren Stendal, Oldenburg, Basel, Bonn, Hamburg und Berlin – in den letzten beiden Orten an so renommierten Häusern wie dem Thalia und dem Deutschen Theater. Im Sommer 2025 wird Düffel die Intendanz des E.T.A Hoffmann Theaters in Bamberg übernehmen.

Neben den literarischen Gebieten der wissenschaftlichen Texte, der Belletristik und Essayistik, den Übersetzungen und auch Hörspielen steht das Schreiben fürs Theater im Zentrum seiner Arbeit. Hier beweist er eine große Bandbreite, die von den Texten für das Musical Der Schuh des Manitu bis hin zu Roman-Adaptionen von Thomas Mann reicht. Auch antike Stoffe und Zeitstücke wie Alle sechzehn Jahre im Sommer stehen gleichberechtigt nebeneinander.

Sein neues Stück Tartüff oder der Geistige ist nach einem Text für das Projekt Die sieben Todsünden von Bremerhaven im Jahr 2015 der zweite Text, der hier uraufgeführt wird, beide Male in der Regie von Tim Egloff.

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Askese in der Antike

Askese in der Antike

Im klassischen und hellenistischen Griechisch, woher es stammt, meint das Wort «askeo» mit seinen Derivaten zunächst einfach (technisch oder künstlerisch) «verfertigen», «bearbeiten». In erweiterter Bedeutung wird es, z.B. bei Xenophon oder Epiktet, gleichbedeutend mit «sich ertüchtigen», auch für leibliche Ertüchtigung und gymnastische Übung verwendet. Schließlich bezeichnet es ebenso die geistige Schulung und Zucht des Menschen, deren Ziel Weisheit und Tugend ist. Plato spricht von «Gerechtigkeit und jede andere Tugend üben». Insbesondere die Stoa betont bei dieser Schulung die Beherrschung der Gedanken und Triebe und versteht Askese als Enthaltung und Verzicht. In einem eigenen Kapitel Über das Bemühen gibt z.B. Epiktet die Stufen der Übungen zur ethischen Schulung des Willens an. Eine religiöse Bedeutung erhält die Askese vor allem durch Philo. Sie bildet die Voraussetzung des geistlichen Wegs zu Kontemplation und Gottesschau und ist vor allem Entsagung. Urbild des «sich Bemühenden», des Kämpfers, ist für ihn nach Gen. 32, 24ff. der Patriarch Jakob. Aufgabe der Askese ist es, Bescheidenheit und Selbstbeherrschung zu üben.

Im biblischen Sprachgebrauch kommt zwar das Wort kaum vor. An der einzigen neutestamentlichen Stelle Apg. 24, 16 behält es dieselbe Bedeutung wie in der hellenistischen Ethik. Wohl aber kennt das Neue Testament den Inhalt des Begriffs im Sinne einer Bemühung und Einübung ins christliche Leben. Grundlage und erste Forderung sind Buße und Glaubensgehorsam; sie verlangen einschneidende Verzichte. Gewiss nicht einseitig, aber doch deutlich genug ist von Enthaltsamkeit und Kasteiung des geistlichen Kämpfers die Rede.

Historisches Wörterbuch der Philosophie
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Buchcover "Das Wenige und das Wesentliche" von John von Düffel.

Textausschnitt

«Das Wenige und das Wesentliche»

Textausschnitt

«Das Wenige und das Wesentliche»

Das größte Missverständnis der Askese ist
Der Verzicht

In der Askese der Zukunft
Die aus keiner Religion kommt
Und keinem System dient
Geht es nicht ums Verzichten
Es geht darum zu erkennen
Wie wenig ich brauche

Askese, in wenigen Worten
Ist die Übung der Konzentration auf das Wesentliche
Eine Verständigung mit sich
Über die Frage
Worauf es ankommt

Das Wenige
Ist die Methode
Um das Wesentliche zu erkennen
Wenn das Wenige dem Wesentlichen entspricht
Ist das Glück

Glück ist eine Form der Übereinstimmung
Kein Zustand, kein Sein, sondern
Eine Übereinstimmung des Tuns
Mit dem eigenen Denken und Empfinden
Es geht nicht darum, sich glücklich zu fühlen
Sondern in Übereinstimmung mit sich
Zu handeln

John von Düffel

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Take You Dancing

Take You Dancing

«Take You Dancing» (Official Dance Video) von Jason Derulo:

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Hass auf «Grüne» – warum?

Hass auf «Grüne» – warum?

John von Düffel sagt im Interview, wir würden «inzwischen in einer Gesellschaft» leben, «in der jede Regel, jede Rücksicht als Zumutung empfunden wird. Verbote und Einschränkungen sind als Ökofaschismus verschrien». Aber stimmt das so wirklich?

In den Kreisen, in denen sich die Mehrheit der Theatergänger bewegt, dürfte zu diesem Thema ein wohl etwas schärferer Ton herrschen als noch vor ein paar Jahren, aber immerhin redet man noch miteinander und hört dem Argument des anderen zu. Nur, wie repräsentativ sind diese Kreise? Und ist das andere Ende des Spektrums wirklich der RTL2-Zuschauer, der seine Info-Schnipsel nur noch im Netz findet? Es ist zu befürchten, dass es mittlerweile ein an den Rändern offenes Milieu von Menschen mit hohem Ausbildungsgrad und mittlerem Einkommen gibt, die mehr oder weniger offen so reden und denken, wie es Düffel beschreibt.

Die rechte Zeitschrift Junge Freiheit zum Beispiel macht Werbung für ein Buch mit dem Titel Klimareligion. Sowohl der Herausgeber als auch die einzelnen Autoren (übrigens allesamt Männer) sind durch die Bank Akademiker, Facharbeiter und Journalisten. Erschienen ist das Buch, das auf dem Cover Annalena Baerbock mit einem bunten Heiligenschein zeigt, im österreichischen Verlag Frank & Frei der aus dem Kreisen der rechtspopulistischen Splitterpartei «Team Stronach» hervorgegangen ist und unter anderem enge Kontakte zum rechtsextremen Publizisten Martin Lichtmesz pflegt. Dieser wiederum ist «einer der Autoren des Autorenkollektivs, der vom Landesverfassungsschutz Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestuften Gruppierung, rund um das Institut für Staatspolitik» des Neurechten Gütz Kubitschek.

In der Werbe-Prosa für dieses Buch stehen dann Sätze wie diese: «Das Ende ist nah, verkünden Politik und offizielle Medien. Der Weltuntergang kann nur abgewandt werden, wenn die Menschen nach strengen und alternativlosen Geboten leben. Das bedeutet: Verzicht, Armut, Plan-wirtschaft und die totalitäre Herrschaft einer globalen Klasse, deren Legitimation weder Gott noch das Volk, sondern die Luft ist, der ‹Schutz› der Atmosphäre durch Windräder, Wärmepumpen, Radfahren und Sozialismus.» Dass erstens weder die Bundesregierung noch «die Medien» in diesem Ton sprechen und zweitens der Klimawandel an sich als gesicherte Tatsache gelten darf, ist dann egal. Im Gegenteil, die Angst der eigenen Klientel muss natürlich noch weiter bewirtschaftet werden. Das klingt dann so: «Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Zivilgesellschaft und Kirchen marschieren im Öko-Gleichschritt. Der Wert eines Menschen wird daran gemessen, ob er ein klimagefälliges Leben führt. Kein Lebensbereich ist ausgenommen: Die Klimareligion überlagert alles und bedroht unsere Freiheit und Bürgerrechte. Wer ihre Dogmen hinterfragt, wird als Klimaleugner und Klimaschädling aus der Gemeinschaft der Klima-Gläubigen verstoßen.»

Jetzt ist das natürlich eine extreme Reaktion auf die Mahnungen der Fachleute und Politiker, die erkannt haben, dass wir definitiv über unsere Verhältnisse gelebt haben. Die meisten Leute wissen mittlerweile, dass wir uns selbst Grenzen setzen müssen, weil die Natur uns sonst ihre Grenzen setzen wird und dass das dann nicht ohne Umwälzungen ausgehen wird, die jedes bekannte Weltuntergangsszenario in den Schatten stellen werden. Und trotzdem machen wir alle mehr oder weniger weiter wie bisher. Wir essen vielleicht weniger Fleisch und haben eine Bambus-Zahnbürste im Bad. Das ist aber nicht die Dimension, um die es gehen wird.

Selbst wir, die auf die aktuellen Erkenntnisse der Fachleute mit Zustimmung reagieren, werden mitunter ungehalten, wenn sich ein Politiker erdreistet, uns Grenzen zu setzen. Wenn es an den eigenen Wohlstand geht, wird selbst der sonst vernünftige Zeitgenosse spontan zum hitzköpfigen Nimby («Not in my back yard!»). «Von dieser gesellschaftlichen Schizophrenie erzählt das Stück», sagt dazu John von Düffel, der sich laut eigenen Aussagen zurzeit manchmal fühlt «wie ein Wanderprediger, wie ein Tartüff im Literaturbetrieb».

Peter Hilton Fliegel

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Pressestimmen

«Fliegel und Egloff haben es geschafft, John von Düffels feinen Humor und seine nachhaltige ‹Message› über die unbequemen Herausforderungen unserer Zeit voller Leichtigkeit in Szene zu setzen. Diese mit Humor und ‹eylichen› Dialogen in die Wunde geriebenen Wahrheiten sind dem Publikum wahrscheinlich erst im Nachhinein samt bitterem Beigeschmack hochgekommen.»

Rita Rendelsmann, Nordsee-Zeitung, 11.12.2023