«Alles, was gut und groß ist, wächst aus der Liebe.»Dora Pejačević
Programm
Dirigent: Marc Niemann
Pianist: Oliver Triendl
Philharmonisches Orchester Bremerhaven
FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809–1847)
Die Hebriden op. 26 (Konzertouvertüre)
DORA PEJAČEVIĆ (1885–1923)
Konzert für Klavier und Orchester g-Moll op. 33
Allegro moderato
Adagio con estro poetico
Allegro con fuoco
JEAN SIBELIUS (1865–1957)
Sinfonie Nr. 1 e-Moll op. 33
Andante, ma non troppo – Allegro energico
Andante (ma non troppo lento)
Scherzo. Allegro
Finale. Andante – Allegro molto – Andante assai
Dauer:
ca. 1 Stunde 40 Minuten // eine Pause nach 40 Minuten
FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY
Die Hebriden op. 26 (Konzertouvertüre)
Dauer: ca. 10 Minuten
Entstehung: 1829–1833
Das Wunderkind Felix Mendelssohn Bartholdy wuchs in einer wohlhabenden Familie auf. Sie ermöglichte ihm durch Bildung, Kontakte und Aufführungsorte, sich frei zu entfalten. So konnte er mit 17 bereits seine Sommernachtstraum-Ouvertüre uraufführen lassen. Üblich für das wohlhabende Bürgertum waren damals auch Bildungsreisen. Um 1800 waren gerade die Hebriden, eine schottische Inselgruppe, ein beliebtes Ziel. Im Trend liegende Geschichten des mythischen Ossian, ein altgälischer und mutmaßlicher Autor, trugen dazu bei. In ihnen beschwören die landschaftlichen Weiten Schottlands Schlachten und Schicksale. Staffa, eine vom Meer ausgehöhlte Insel der Hebriden, war einer dieser Schauplätze. Mendelssohn Bartholdy und sein Dichterfreund Karl Klingemann pilgerten dorthin. Doch die Witterung war widrig. Klingemann schrieb über die Bootsfahrt: «Die Ladys fielen um wie die Fliegen, und ein und anderer Gentleman tat’s ihnen nach. Ich wollte, mein Reisepechbruder wäre nicht unter ihnen gewesen, aber er verträgt sich mit dem Meer als Künstler besser denn als Magen.» Doch die Umgebung regte Mendelssohn Bartholdy kreativ an. Am 7. August 1829 schrieb er seiner Familie einen Brief, der eigentlich nur aus einer musikalischen Skizze bestand. In ihr war beinahe schon der vollständige Beginn der Hebriden-Ouvertüre enthalten. Ein markantes Motiv leitet ein, wird wiederholt und allmählich in höhere Orchestergruppen gereicht. Dabei stehen nicht die Entwicklung des Motivs und der persönliche Ausdruck im Zentrum, sondern Stimmungen und die Vielfalt von Klangfarben und -flächen. Und zwar über das gesamte Werk. Derart ebnet Mendelssohn Bartholdy bereits Bahnen, die später Richard Wagner und vor allem die Impressionisten um Claude Debussy und Maurice Ravel fortführen werden. Indem Mendelssohn Bartholdy aber die Prinzipien der Sonatenform bewahrte, gab er seinem Publikum eine Stütze, den fortschrittlichen Ansatz zu verstehen und mit zu tragen. So wurde die Ouvertüre bis heute zum Erfolg. Besonders bei den Briten.
DORA PEJAČEVIĆ
Konzert für Klavier und Orchester g-Moll op. 33
Dauer: ca. 30 Minuten
Entstehung: 1913
Falls Sie in Kroatien einem Edelparfum, -sekt oder der Vorauswahl zum Eurovision-Songcontest mit dem Namen «Dora» begegnen, denken Sie an die Namensträgerin Dora Pejačević. Nach ihrem frühen Tod am 5. März 1923 geriet sie schnell in Vergessenheit, wird aber seit knapp zwei Jahrzehnten wiederentdeckt. 1885 in Budapest geboren, verbrachte sie den Großteil ihrer Kindheit auf dem Anwesen ihrer Adelsfamilie in Našice im Osten Kroatiens. Ihr Vater Teodor Pejačević war von 1903 bis 1907 kroatischer Banus, also Vizekönig und Statthalter Österreich-Ungarns. Derart privilegiert erhielt Dora früh Privatunterricht und «durfte» ab 1907 in Dresden Komposition studieren. Für eine Frau damals noch die Ausnahme. Doch für Pejačević zwingend notwendig, denn ihr intellektueller Hunger war stark ausgeprägt. Sie las nahezu alle Klassiker sowie philosophische und musikwissenschaftliche Werke. Karl Kraus und Rainer Maria Rilke schätzten sie sehr. Wie Kraus ließ Rilke sie 1915 sogar gegen seine Prinzipien zwei Gedichte zu den orchestralen Werken Liebeslied und Mädchengestalten vertonen. Dabei hatte Pejačević bis 1913 noch kein Orchesterwerk geschrieben. Nicht nur in dieser Hinsicht markierte ihr in diesem Jahr komponiertes Konzert für Klavier und Orchester in g-Moll op. 33 eine Zäsur. Denn es handelte sich um das erste kroatische Klavierkonzert überhaupt. Es folgt der Tradition von Franz Liszt, Pjotr Tschaikowski, Edvard Grieg und Sergei Rachmaninoff. Entsprechend steht der erste Satz in der Sonatenform und belässt das Klavier neben dialogischen Abschnitten als Teil des Orchesters. Der zweite Satz spart das Blech, mit Ausnahme von lyrischen Hörnern, weitestgehend aus und zeichnet so mit seiner Chromatik, Harfen- und Klavierornamentik ein warmes, besinnliches Klanggemälde. Der dritte ist ein verspieltes Rondo und ermöglicht mit seinen perlenden Oktavläufen die virtuose Entfaltung des Pianisten. Das feurige Ende konnte auch das Publikum bei der Uraufführung am 5. Februar 1916 am Kroatischen Nationaltheater Zagreb begeistern. Damit schuf Pejačević die Grundlage für ihre späteren orchestralen Erfolge. Und ihr Parfum.
«Im Spiegel meiner Gefühle sehe ich, aus einer tiefen Unendlichkeit, Erinnerungen wie Seerosen auf der glatten Oberfläche eines Sees auftauchen.»Dora Pejačević über ihren Kompositionsprozess
JEAN SIBELIUS
Sinfonie Nr. 1 e-Moll op. 33
Dauer: ca. 40 Minuten
Entstehung: 1898–1899
Als Jean Sibelius 1898 seine Sinfonie Nr. 1 zu komponieren begann, befand sich seine Heimat Finnland im Umbruch. Zar Nikolaus II. setzte zu Beginn der 90er eine rigorose Russifizierungspolitik in Finnland durch, gegen die das Land aufzubegehren begann. Die Kultur war ein Austragungsort dieser Auseinandersetzung. Eine junge Generation finnischer Kulturreformer besann sich auf Natur und Mythos mit den weiten Wald- und Seenlandschaften, um eine seit je vorhandene Identität Finnlands hervorzuheben. «Ihre Tonkunst und der eigenartige Nymbus, der sie umgibt, wurzeln tief im Erdboden Ihres Volkes … und sind von der Mystik desselben umgeben», schrieb der kroatische Komponist Boris Papandopulo 1935 an Sibelius. Auch in seiner 1899 vollendeten Sinfonie Nr. 1 scheint die Natur allgegenwärtig. Eine einsame Klarinettenmelodie leitet ein, ehe Streichervibrati eine unbegrenzte Weite beschwören und mit dem ersten Satz, in Sonatensatzform, beginnen. Welche Emotion dabei auch aufkommt: Klangflächen sind wie die Natur allgegenwärtig. Spielerische Elemente stehen selten für sich allein. Dem kommt noch am ehesten der dritte Satz mit seiner motorischen Leichtigkeit am nächsten. Doch die Einleitung zum Finale kehrt zur Mystik zurück. Indem die Klarinettenmelodie aus dem ersten Satz nun im Streicher-Unisono erklingt, wird die Einsamkeit im Ganzen aufgehoben, das Individuum in der Natur. So klingt der Satz auch aus: Mit dem Wissen, dass alles bisher Erlebte auch nach der letzten Note bestehen bleibt. Diese Mystik fügte sich in die damaligen Nationalbestrebungen. Entsprechend erfolgreich war die Uraufführung am 26. April 1898 in Helsinki. Das finnische Bild der eigenen, in der Natur verankerten Kultur konnte sich verbreiten.
Torben Selk
Impressum
HERAUSGEBER Philharmonisches Orchester Bremerhaven
SPIELZEIT 2024/2025, Nr. 1
GENEREALMUSIKDIREKTOR Marc Niemann
VERWALTUNGSDIREKTORIN Franziska Grevesmühl-von Marcard
REDAKTION Markus Tatzig, Torben Selk
QUELLEN
Borchard, Beatrix und Jan Boecker (Hrsg.): Die kroatische Komponistin Dora Pejačević. Kassel 2001.
Brügge, Joachim: Jean Sibelius. Symphonien und symphonische Dichtungen. Ein musikalischer Werkführer. München 2009.
Todd, Larry: Of Sea Gulss and Counterpoint. The Early Versions of Mendelssohn’s Hebrides Overture. In: 19th-Century Music (3). 1979.
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