Tassilo Tesche
Tassilo Tesche studierte Bühnenbild und Theaterwissenschaft in Venedig und Berlin und war Gasthörer am Regieinstitut der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin. 2001 diplomierte er in Architektur an der Universität der Künste Berlin bei dem Architekten Benedict Tonon und der Künstlerin Katharina Sieverding.
Der Fokus seiner Theaterarbeit liegt auf der Entwicklung von Uraufführungen im Team mit Komponist:innen und Autor:innen. Ausgangspunkt dieser Konzeptarbeit ist das Theater als gesellschaftliches Versuchslabor, in dem die Gestaltung der Arbeitszusammenhänge zwangsläufig Teil der inhaltlichen Auseinandersetzung wird und dadurch die Arbeitskonventionen des Musiktheaters infrage stellt. In den entstehenden, enthierarchisierten Arbeitsprozessen experimentiert er mit kollektiver Autor:innenschaft und fungiert als Co-Regisseur, Co-Autor und Performer. Die szenografische Theaterarbeit von Tesche umfasst den Entwurf von Bühnen- und Kostümbildern, das Lichtdesign sowie die Entwicklung von live-elektronischen Videoarbeiten. Seine Ausstattungsarbeiten sind oft für den Stadtraum konzipiert, greifen in Räume des Alltags ein oder reorganisieren konventionelle Theaterräume. Sein Interesse gilt unfertigen Räumen, die das Publikum herausfordern, Anteile an der Konstruiertheit der eigenen Wahrnehmung zu reflektieren. Er arbeitet mit Regisseur:innen wie Emma Dante, Ludger Engels, Frank Hilbrich, Florentine Klepper, Liz Rech, Christoph Schlingensief und Till Wyler von Ballmoos, mit Komponist:innen, wie Leo Dick, Leo Hofmann, Ole Hübner, Rosalba Quindici, Benedict Schiefer, Johannes Schöllhorn und Nadir Vassena sowie elektroakustischen Komponisten wie Kristian Hverring, Cyrill Lim und Marcel Saegesser zusammen.
Tesche erhielt zahlreiche Preise und Stipendien wie u. a. 2005 als Gastkünstler der Villa Romana Florenz, 2007 als Gewinner des Wettbewerbs Fonds experimentelles Musiktheater NRW mit Kann Heidi gebrauchen, was es gelernt hat? (im Team mit Leo Dick), 2008 mit dieser Arbeit bei der Biennale Bern sowie beim ITI-Germany/MusicTheatreNow, 2010 als Gastkünstler des Hyperactivity Summerlab nomad/Centre D’Art Neuchâtel, 2013 bis 2016 als Stipendiat des Graduiertenprogramms ProArt der LMU München/DAAD, 2014 als Gewinner der Internationalen Plattform Neues Musiktheater mit der musikalisch-performativen Installation The Navidson Records (künstlerische Leitung: Tassilo Tesche und Till Wyler von Ballmoos), 2016 mit der Uraufführung dieses Projekts bei der Münchener Biennale – internationales Festival für neues Musiktheater (die Produktion wurde außerdem im September 2016 am Konzert Theater Bern gezeigt) oder 2017 als Gewinner des internationalen Wettbewerbs Biennale Musica der Biennale di Venezia (mit Friederike Blum, Jakob Boeckh und Ole Hübner). 2021 erhielt Tesche ein Stipendium des Fonds Darstellende Künste (#TakeCare). Er ist Teil des Künstlerkollektivs The Navidsons und leitet mit Leo Dick die Künstlergruppe/Produktionsgemeinschaft Weitwinkel.
Seit 2010 ist er als Dozent für Szenografie in den Studiengängen Sound Arts und Music Composition an der Hochschule der Künste Bern tätig. Vorträge und weitere Lehrtätigkeiten führten ihn u. a. an die ZHdK Zürich, die LMU München und als Gastprofessor an die Università Iuav Venedig. Von 2012 bis 2015 arbeitete er im SNF-Forschungsprojekt Sprechstimme im zeitgenössischen Musiktheater an der HKB Bern. Für das Sommersemester 2017 wurde er von Heiner Goebbels als Gastprofessor an das Institut für Angewandte Theaterwissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen berufen. 2020 wurde Tesche bei David Roesner am Lehrstuhl für Theaterwissenschaft in München promoviert. Seine Dissertation mit dem Titel Vermittelte Körper – Digitale Videoauftritte im Musiktheaterlabor stellt an der Ludwig-Maximilians-Universität München ein Novum dar, da sie auf einer umfänglichen praktischen Forschungsarbeit beruht und theaterwissenschaftliche wie künstlerisch forschende Methoden vereint.