In der Mitte steht ein Mann, der aufmerksam einen Brief in der Hand hält und liest. Links von ihm lehnt sich eine Frau leicht an ihn und hält ihn fest, während ihr Blick zur dritten Person rechts gerichtet ist.

Die Bagage

von Monika Helfer / Erstaufführung der Fassung von Coco Plümer

PREMIERE 12. September 2025 // Kleines Haus

VORSTELLUNGSDAUER: ca. 1 Stunde, 45 Minuten // keine Pause

Einführung jeweils 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Oberen Foyer

Vorstellungstermine

21.09.2025 um 15:00 Uhr Karten
27.09.2025 um 19:30 Uhr Karten
02.10.2025 um 19:30 Uhr Karten
24.10.2025 um 19:30 Uhr Karten
30.10.2025 um 19:30 Uhr Karten
30.11.2025 um 18:00 Uhr Karten
05.12.2025 um 19:30 Uhr Karten
18.12.2025 um 19:30 Uhr Karten
03.01.2026 um 19:30 Uhr Vorverkauf ab: 01.11.2025, 10:00 Uhr

Am Rand der bewohnten Welt, ganz hinten im Tal, oben am Berg lebt die Bagage: Maria und Josef mit ihren vier Kindern. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, muss Josef einrücken und bittet den Bürgermeister, auf seine schöne Frau aufzupassen, denn er kennt die Männer im Dorf. Bald darauf ist Maria schwanger. Josef könnte der Vater sein, aber daran glaubt keiner. Georg aus Hannover kommt ebenso in Frage wie der Bürgermeister. Als das Kind gesund auf die Welt kommt, könnte alles wieder gut werden. Doch Josef weigert sich, Grete auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Die Enkeltochter der beiden und Tochter von Grete erzählt in Monika Helfers SPIEGEL-Bestseller von 2020 die Geschichte der Bagage, wie die Familie verächtlich genannt wird. Ohne jede Wehleidigkeit macht Helfers klare und poetische Sprache greifbar, wie jeder von uns die Geschichte der eigenen Vorfahren als «Bagage» mit sich herumträgt.

Für das Anpassen und Einsetzen der Plangläser bedanken wir uns bei Optiker Bode in Bremerhaven.

INSZENIERUNG Ingrid Gündisch
BÜHNE & KOSTÜME Ilka Meier
DRAMATURGIE Peter Hilton Fliegel
LICHT Frauke Richter

 

SIE / LORENZ / PFARRER Angelika Hofstetter
MARIA Anna Caterina Fadda
JOSEF / FINK / GEORG Leon Häder
DAS KIND Carla Lou Schreuder / Calliope Josephine Villarin (Kinderchor)

 

REGIEASSISTENZ & ABENDSPIELLEITUNG & INSPIZIENZ Florian Thiel
SOUFFLAGE Melia Holl (FSJ Kultur)
EINSTUDIERUNG ENSEMBLE Hartmut Brüsch
EINSTUDIERUNG KINDER Katharina DiegritzEdward Mauritius Münch

Die Bagage

von Monika Helfer / Erstaufführung der Fassung von Coco Plümer

Die Bagage

Selten ist die Familie ein Segen, oft genug ist sie eher eine Last. Durch die Herkunft wird einem etwas aufgebürdet, woran man ein Leben lang trägt. Wohl kein anderes Wort als das Nomen «Bagage» (franz. Gepäck) vermag dies besser auszudrücken. Herkunft, das sind immer auch die Vorfahren, die man als «Familiengepäck» mit sich herumträgt und nicht immer gelingt es, sich von dieser Last zu befreien, das Gepäck abwerfen zu wollen. Seine Herkunft wird man nicht los.
Auf die Spurensuche der eigenen Herkunft hat sich Monika Helfer in dem autobiografischen Roman Die Bagage begeben, in dem sie auch ihren Urgroßvater erwähnt, der sich in einem österreichischen Bergdorf als Träger verdingte und den Bauern die Heuballen in die Scheunen trug. Der Roman ist ihrer Familie gewidmet: «für meine Bagage».
Die Autorin erzählt zunächst von ihrer Großmutter Maria, einer «überirdisch schönen Frau», wie es im Roman heißt, und ihrem Großvater Josef, der, wie erzählt wird, ein fesches Mannsbild war. Marias Schönheit weckt bei den Männern des Dorfes Begehrlichkeiten. Aber sie dürfen nur von ihr träumen, denn Josef ist nicht nur ein fescher, sondern auch ein stattlicher Mann, der im Dorf gefürchtet wird.
Das ändert sich, als Josef einberufen wird und als Soldat im Ersten Weltkrieg dienen muss. Von Marias Schönheit werden zwei Männer magisch angezogen. Neben Georg, dem aus Hannover stammenden Fremden, der Maria zu gefallen weiß, wird sie von Gottfried Fink bedrängt, dem Dorfbürgermeister, der – so war es zwischen Fink und Josef verabredet – während Josefs Abwesenheit auf Maria aufpassen sollte.
Für Aufsehen im Dorf und für Ärger in der Familie sorgt schließlich die Geburt der Mutter der Erzählerin. Josef hatte zwar zweimal Fronturlaub, aber im Dorf glaubt man nicht daran, dass Josef Margaretes leiblicher Vater ist. Für Helfers Erzählerin erweist sich die Ungewissheit der eigenen Herkunft als Last.
Im Roman ist zwar das Leben der Großeltern zentral, aber deren Lebens- und Liebesgeschichte erfährt durch die zur Familie gehörende Tanten und Onkel eine Erweiterung. 

Ihnen kommt insofern eine entscheidende Funktion zu, als sie Träger von Informationen sind, und die Erzählerin darauf angewiesen ist, was sie wissen oder zu wissen meinen, denn sie selbst kennt vieles nicht aus eigenem Erleben. Über die Jahrzehnte ist familienintern dokumentiert, erinnert, erfunden und auch spekuliert worden. Diesen Vorrat hat die Autorin eingesammelt und erzählend hat sie festgehalten, was sie über ihre Familie in Erfahrung bringen konnte.
Sie ist als Erzählinstanz stets anwesend ist, hält sich aber – bis auf wenige Ausnahmen – diskret im Hintergrund. Erzählend verharrt sie dort, wo ihre Bagage stets ihren Platz hatte: am Rand. Dieser außergewöhnliche, leicht zu lesende, sehr dichte und klug komponierte Roman ist sehr viel mehr als eine im Ersten Weltkrieg spielende Liebesgeschichte – Die Bagage ist vor allem ein sehr beeindruckend geschriebenes Herkunftsbuch.

Michael Opitz für Deutschlandfunk Kultur

«Wer Wäsche wäscht, muss sie auch aufhängen.»
Maria Moosbruger in «Die Bagage»

Starke Frau

Monika Helfers Hauptfigur, Maria Moosbrugger, ist eine starke Frau, obwohl sie sich selbst vielleicht nicht so bezeichnen würde. Sie führt ein selbstbestimmtes Leben – bei allen Einschränkungen, die der Zeit und ihren Lebensumständen geschuldet sind.
Georg, der unter anderen Umständen vielleicht ihr Liebhaber hätte werden können, vielleicht sogar ihr Mann, sagt in einer der schönsten Kennenlernszenen der zeitgenössischen Literatur, dass er noch nie  erlebt hat, «dass eine Frau so direkt ist». Oder in einer anderen Szene, als sich der Bürgermeister Fink für sein Verhalten entschuldigt, sagt sie: «Es ist vorbei». Und auf seine Rückfrage, ob «vorbei» auch «vergessen» heiße, erwidert sie: «Vorbei heißt: Wir müssen nicht weiter darüber reden». Womit sie für den aufmerksamen Zuhörer mitteilt, dass sie sich sehr wohl daran erinnert, dass aber sie bestimmt, ob das noch ein Thema sein darf oder nicht.
Sie ist eine Frau, die weiß, dass Handlungen Konsequenzen haben und dass man diese tragen muss. Und zwar jeder gleichermaßen. Dass es keine besonderen Rechte für niemanden gibt. So ist auch ihr wunderbarer Satz: «Wer Wäsche wäscht, muss sie auch aufhängen» zu verstehen. So einen Satz sagt keine unterwürfige Hausfrau, sondern eine, die weiß, dass sie zu Ende bringen wird, was sie anfängt – egal, wer oder was sich ihr in den Weg stellt.
Sie ist eine Frau mit einem gesunden Verhältnis zu ihrem eigenen Körper. Die Liebe von ihr zu ihrem Mann Josef und auch die nicht ausgelebte Anziehung zwischen Georg und ihr, beide sind so kraftvoll und erotisch beschrieben, wie man es nicht oft findet in der Literatur. Ohne verschämte Aussparungen, aber auch ohne jeden unfreiwilligen Voyeurismus, der vielen Autorinnen und Autoren unterläuft.
Neben der Familiengeschichte vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs und den Nachwirkungen auf die folgenden Generationen ist das vielleicht die größte Stärke von Monika Helfers Roman Die Bagage: Dass sie uns über die Entfernung eines ganzen Jahrhunderts hinweg zeigt, dass die Freiheit eines Menschen (in diesem Fall einer Frau) keine Frage von vordergründigem Aktivismus ist, sondern ein Grundrecht, dass sich jede und jeder nehmen darf aber auch selbst nehmen muss – ohne dass damit das Versprechen auf Erfüllung verbunden wäre. Es gibt kein Recht auf ein erfülltes Leben in Freiheit. Aber es gibt das Recht, für ein selbstbestimmtes Leben einzustehen, für jeden Menschen gleichermaßen. Auf die Gefahr hin, dass einen die anderen dann als «Bagage» bezeichnen.

Peter Hilton Fliegel

DIE FAMILIE MACHT UNS ZU GEISELN IN DER WELT

Welchen Wert hat die Familie für Ihr Leben?

MONIKA HELFER: Für mich ist die Familie das Wichtigste. Sie steht an oberster Stelle. Gerade mit unserem Schicksal, dass wir {unsere Tochter} Paula verloren haben. Man wünscht sich, dass es allen gut geht. Das hat Priorität. Man denkt oft an sie alle.
MICHAEL KÖHLMEIER: Und man telefoniert auch oft mit ihnen. Wir betreiben intensive Brutpflege.
MONIKA HELFER: Und wir sind ja auch schon Urgroßeltern. Unsere Tochter hat drei Kinder, und eines, die Sophie, hat immer gesagt, sie will sicher nie Kinder. Jetzt hat sie ein Baby bekommen: einen Buben. Es ist einfach schön, dass es nicht aufhört.
MICHAEL KÖHLMEIER: Die Familie macht uns und jeden Einzelnen in der Familie zu Geiseln in der Welt.

Wie meinen Sie das?

MICHAEL KÖHLMEIER: Damit meine ich, dass halt immer auch eine Sorge da ist. Die Familie ist der wunde Punkt. Dort, wo man verletzt, erpresst, verwundet oder gar zerstört werden könnte.
MONIKA HELFER: Es gibt immer Konflikte in jeder Familie. Eine konfliktfreie Familie existiert nicht. Aber wir haben es immer geschafft, dass wir es irgendwie weg- oder ausdiskutieren. Oder einfach verdrängen. Wie auch in jeder Familie verdrängt wird. Bei uns läuft es jedoch darauf hinaus, dass es wieder gut wird.

Julia Schafferhofer im Gespräch mit Monika Helfer und Michael Köhlmeier

Die Autorin

Monika Helfer, geboren am 18. Oktober 1947 in Au in Vorarlberg, hat mit zwölf Jahren das Schreiben begonnen, um «ihren Gedanken einen Ort zu geben», wie es im renommierten Munzinger-Archiv heißt. Verheiratet ist sie in zweiter Ehe mit dem Autor Michael Köhlmeier. Die beiden leben in Hohenems, Vorarlberg und in Wien. 
Helfer wuchs mit fünf Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihr Vater Josef kam versehrt aus dem Zweiten Weltkrieg und arbeitete als Verwalter eines Erholungsheims für Kriegsversehrte. Er war ein passionierter Leser und besaß eine große Bibliothek. Ihre Mutter war das fünfte Kind von sieben aus der im Roman Die Bagage geschilderten Familie. Sie starb als Helfer elf Jahre alt war. Dazu sagte Helfer im Interview mit der Wiener Zeitung: «Die Tante hat sich schon um uns gekümmert, aber ich fühlte mich einfach völlig verlassen».
In ihren Büchern geht es häufig um schwierige Familienbeziehungen, wobei die Perspektive oft die eines Kindes ist. In der Laudatio zur Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse im März 2016 steht: «Die Figuren in Monika Helfers Büchern haben Mut, Überlebenswillen und den gesunden Trotz eines Kindes, nämlich den Trotz, sich von gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Kategorisierungen nicht beirren zu lassen».
In ihrer Romantrilogie Die Bagage, Vati und Löwenherz schreibt sie zum ersten Mal über ihre eigene Familie. Laut eigenen Aussagen konnte sie darüber erst schreiben, nachdem alle vorkommenden Personen gestorben waren.
Helfer hat vier Kinder. Die Tochter Paula Köhlmeier, die selbst Autorin war, starb 2003 bei einem Unfall. Helfers Roman Bevor ich schlafen kann ist ihrem Andenken gewidmet.
Helfer hat zahlreiche Preise verliehen bekommen, über 30 Bücher mit Prosatexten und ein halbes Dutzend Theaterstücke geschrieben und außerdem eigene Stoffe als Hörspiel adaptiert.

Impressum

HERAUSGEBER Stadttheater Bremerhaven
SPIELZEIT 2025/2026, Nr. 2
INTENDANT Lars Tietje
VERWALTUNGSDIREKTORIN Franziska Grevesmühl-von Marcard
REDAKTION Peter Hilton Fliegel 

QUELLEN
https://www.deutschlandfunkkultur.de/monika-helfer-die-bagage-das-familiaere-gepaeck-schleppt-100.html 
https://www.kleinezeitung.at/kultur/6145643/Thema-Zusammenhalt_Die-Familie-macht-uns-zu-Geiseln-in-der-Welt 
https://de.wikipedia.org/wiki/Monika_Helfer 
https://www.munzinger.de/register/portrait/biographien/Monika%20Helfer/00/31201

Die Texte wurden zum Teil redaktionell gekürzt oder bearbeitet.Urheber:innen, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.

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Besetzung

Ein Mikrofon mit Popschutz.

Prolog

Kurzeinführung zum Stück

Prolog

Kurzeinführung zum Stück

Einleitung zum Stück als Audio-Datei

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Buchcover "Die Bagage" von Monika Helfer.

Das familiäre Gepäck

Das familiäre Gepäck

Monika Helfer hat mit Die Bagage einen beeindruckendes, klug komponiertes Herkunftsbuch geschrieben. Die Geschichte ihrer Familie setzt sie aus den Bausteinen zusammen, die von Eltern und Großeltern erinnert, dokumentiert oder über die spekuliert wird. Zum Artikel.

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Monika Helfer sitzt im Garten.

Zusammenhalt

Zusammenhalt

«Die Familie macht uns zu Geiseln in der Welt» – erstes gemeinsames Vater-Sohn-Projekt, erstes gemeinsames Interview der Künstlerfamilie: Michael Köhlmeier, Monika und Lorenz Helfer über den Wert von Familie, die Bedeutung von Rückgrat und den Tod. Zum Interview.

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Vorbericht

im Radio Bremen Fernsehen

Vorbericht

im Radio Bremen Fernsehen

Die Bagage feiert Premiere in Bremerhaven. Im Stück nach dem Roman von Monika Helfer wird die Geschichte einer Familie im 1. Weltkrieg aufgearbeitet. Zum Video.

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Pressestimmen