Eine Frau mit kurzen grauen Haaren und einem langen schwarzen Kleid steht in der Mitte der Bühne. Sie hat die Arme verschränkt und schaut verzweifelt drein. Sie ist umringt von einer Gruppe von Frauen in farblosen Roben.

Die Troerinnen (Der Untergang)

von Euripides / Schauspiel mit Musik

PREMIERE 1. März 2025 // Großes Haus

ca. 1 Stunde, 45 Minuten / ohne Pause

geeignet ab 16 Jahren

Einführung jeweils 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Oberen Foyer

Vorstellungstermine

28.03.2025 um 19:30 Uhr Karten
03.04.2025 um 19:30 Uhr Karten
05.04.2025 um 19:30 Uhr Karten
27.04.2025 um 18:00 Uhr Karten

Troja ist besiegt. Aber der Krieg ist nicht zu Ende, solange die Toten noch in den Herzen der (Über-)Lebenden wohnen. Und so klagt Hekabe, die Witwe des trojanischen Fürsten Priamos, die Griechen an. Diese betrachten die Frauen jedoch als Beute, die man als Sklavinnen und Geliebte nach Griechenland verschleppen darf. Euripides übte mit seiner 415 v. Chr. uraufgeführten Tragödie harsche Kritik an Athens imperialer Politik im Mittelmeerraum. Vor allem stellte er die Frauen ins Zentrum seiner Anklage. Die neue Bremerhavener Fassung betont diesen Aspekt durch eigens komponierte Musik für den Opernchor des Stadttheaters.

INSZENIERUNG Anja Panse
BÜHNE & VIDEO Kathrin Krumbein
KOSTÜME Dinah Ehm
SOUNDS & MUSIKALISCHE LEITUNG Ludger Nowak
KOMPOSITION CHÖRE Cindy Weinhold
CHORLEITUNG Edward Mauritius Münch
DRAMATURGIE Peter Hilton Fliegel
LICHT Daniel Lang

 

POSEIDON, Gott des Meeres Marc Vinzing
HEKABE, Königin von Troja, Gattin des Priamos Angelika Hofstetter
TALTHYBIOS, herold der Griechen Kay Krause
KASSANDRA, Tochter der Hekabe Julia Lindhorst-Apfelthaler
ANDROMACHE, Gattin des Hektor Marsha B Zimmermann
ASTYANAX, ihr Kind Tius Förster / Sindbad Rose (Statisterie)
MENELAOS, König von Sparta Frank Auerbach
HELENA, seine Gattin Anna Caterina Fadda

GEFANGENE TROJANISCHE FRAUEN Yvonne Blunk, Kathrin Verena Bücher, Katharina Diegritz, Heesu Kang, Minji Kim, Ines Mayhew-Begg, Brigitte Rickmann, Maria Rosenbusch, Iris Wemme-Baranowski, Elena Zehnoff

 

REGIEASSISTENZ Florian Thiel
INSPIZIENZ Regina Wittmar
SOUFFLAGE Birgit Ermers

Die Troerinnen (Der Untergang)

von Walter Jens und Euripides

Eine Welt des Zufalls

Das Stück ist eine einzige große Anklage: Was sollen uns die Götter, wenn sie uns nicht beschützen? Der Krieg um Troja, ausgelöst durch ein Eifersuchtsdrama um Helenas Untreue, ist von Anfang ein sinnloser Krieg. Der Anführer der Griechen, Agamemnon opfert seine Tochter, um überhaupt mit seiner Flotte bis nach Troja zu gelangen. Bei der Belagerung der Stadt wüten die Griechen erbarmungslos. Am Ende gewinnen sie den Krieg nur mit einer List und vernichten Troja, statt es einfach zu besiegen. Agamemnons Königshaus ist verflucht und wird ausgelöscht und Odysseus wird noch zehn Jahre umherirren, bis er endlich als alter Mann zuhause ankommt.
Die Zuschauer sehen die Tragödie der Troerinnen, als wären sie griechische Soldaten, die vom Strand her auf die zerstörte Stadt blicken. Hier ist nichts feierlich, wir sehen keinen Tempel, keinen Palast, keinen offenen Platz – nur Kriegsruinen und ein paar Überlebende. Unter ihnen Trojas Königin Hekabe, die zum Stückbeginn aus einem quälenden Schlaf erwacht, nur um zu erfahren, dass alle trojanischen Frauen den Griechen zugesprochen werden – als Kriegsbeute. Der Herold der Griechen, Talthybios, verkündet zwar, wie es seine Pflicht ist, wer wem als Beute zugedacht ist, aber man gewinnt sehr schnell den Eindruck, dass er nicht einverstanden ist mit seinen Herren. Und der Chor kommentiert hier nichts mehr, ordnet nichts ein und stellt keine Fragen. Es ist ein Chor, der klagt und anklagt. Nacheinander treten jetzt Kassandra und Andromache auf. Auch sie klagen an. Kassandra prophezeit den Untergang der Griechen und Andromache beklagt die Zerstörung allen Lebens, die der Krieg gebracht hat.
Als kurz vor dem Ende Agamemnons Bruder Menelaos kommt, um Helena zur Hinrichtung abzuholen, wird schnell klar, dass er ihr wieder verfallen wird. Auch sein Unglück ist mit dem Sieg der Griechen nicht zu Ende.
Bei Euripides gibt es keinen gerechten Krieg mehr und die Götter gleichen das menschliche Unrecht nicht mehr aus. Sie haben in seinen Stücken keinen Einfluss mehr, der Zufall beherrscht die Menschen. In seinen Troerinnen gewinnen die Griechen den Krieg, obwohl sie moralisch verwerflich gehandelt haben. Die Troerinnen verlieren alles, obwohl sie nichts Unrechtes getan haben. Und Poseidon erlöst am Ende die Zuschauer nicht wie üblich, sondern entlässt sie mit einer Warnung.

Peter Hilton Fliegel

«Ihr Narren! Menschen, die ihr glaubt, man könnte Städte niederbrennen und aus Gräbern Wüsten machen, ohne selbst zugrund zu gehn.»
Walter Jens und Euripides: Die Troerinnen (Der Untergang)

Der Untergang von Troja

Noch einmal, Troja, zum letzten Mal, weh! sprich es aus,
Troja, liebes, wie du starbst, am Friedenstag, am Todestag.

Frieden!
O Stunde des GIücks! kein Waffenrasseln, kein Totengeschrei,
schön wie am ersten Tag, so sanft und wunderbar.

Und dann das Pferd, das wie ein großes Kinderspielzeug,
fremd und stumm, als ob man es vergessen hätte, zwischen Stadt und Küste stand. Das Pferd – ein Sühneopfer, das die Griechen
Trojas Göttern spendeten: «Verzeiht uns, Himmlische,
und nehmt die Gabe an. Wir ziehen heim: genug der Toten jetzt.
Der Krieg ist aus.» Da jauchzten wir und schrien laut, wir sind frei!

Und zogen im Reigen, wie ein gewaltiges Schiff, das sich auf Rollen bewegt, zogen – wir alle! – das Pferd in die Stadt. Und holten es ein, in den Hof. Tanz auf den Straßen! Wein und Gesang! Die Türen: weit offen. Die Häuser: mit Blumen geschmückt O Frieden! Glück! Welch eine Nacht! Und hoch vorm Mond stand wie ein Traumbild bei Nacht der gewaltige Schatten des Pferds.

Und da auf einmal, von der Burg, aus der Stadt; überall: Aah! Ein Schrei, wie nie ein Schrei gewesen ist. Die – aus dem Bauch! Die, eingeschleust, die – verborgen im Schacht!
Die, verkleidet, auf offener Straße. Überall Griechen!

Ans Kleid ihrer Mutter gepresst: niedergemetzelt die Kinder! Die Beter im Tempel erwürgt! Wie Rattenherden sind sie gekommen,
die Griechen. Ratten, mit Zähnen wie Beile und einem Schweif
voll Blut. Zernagten das Holz, zerbissen das Fleisch.

Im Schatten verborgen, dem Nachtleib des Tiers, kam Ares zurück. KRIEG! Tyrannen! Griechen! KRIEG!

Walter Jens und Euripides: Die Troerinnen (Der Untergang)

Klagelied

Es schreien die Steine,
und die Gestade des Meers
brüllen vor Schmerz.
Und klagen,
wie ein Vogel klagt,
der seine Jungen schreien hört,
wenn der Adler ins Nest stürzt.
Schaut,
der Himmel brennt!
Vor Scham.

Eos!
Morgenröte!
Schirr den Wagen an!
Lasse alle Himmel
mit dem Purpurschimmer
deiner Räder leuchten,
dem Purpur,
der das Rot
der Schande ist!

Walter Jens und Euripides: Die Troerinnen (Der Untergang)

Der große Zweifler

Anders als die beiden anderen großen Tragiker Aischylos und Sophokles verkörperte Euripides einen neuen Künstler-Typus. Während die ersten beiden hohe Staatsämter bekleideten und ihr Schreiben als Dienst an der Polis verstanden, blieb er ein Außenseiter und verstand sich in erster Linie als Künstler. Zum Teil lag das wohl auch an seinem Alter. Aischylos war bereits 45 Jahre alt und Sophokles immerhin schon ein Jugendlicher von 15 Jahren, als Athen 480 v. Chr. in der Schlacht von Salamis die Perser besiegte und zur Alleinherrscherin über den Mittelmeerraum aufstieg. Euripides war zu dieser Zeit gerade vier Jahre alt, nach anderen Quellen kam er im selben Jahr auf die Welt. Er war also ein Nachkriegskind. Dazu kommt, dass seine Eltern keine alteingesessenen Athener waren, sondern erst wegen des erwähnten Krieges von Salamis nach Athen gezogen waren. Nach der Überlieferung ist Euripides immer wieder nach Salamis zurückgekehrt, um dort in völliger Abgeschiedenheit seine Stücke zu schreiben. Er blieb ein Einzelgänger, der aus der kritischen Distanz heraus die Athener Gesellschaft und ihre Politik beobachtete. So erklärt sich auch die Perspektive, aus der er Die Troerinnen schrieb – als pessimistischen Kommentar auf Athens Entscheidung, nach einer kurzen Friedensphase während des Peleponnesischen Krieges, dem sogenannten Nikiasfrieden im Jahr 416 v. Chr., eine Invasion von Syrakus auf Sizilien vorzubereiten. Athen setzte gigantische finanzielle und militärische Mittel ein, um die Hafenstadt Syrakus zu belagern. Das Ende war eine vernichtende Niederlage, die 413/412 den Anfang vom Ende von Athens Vormachtstellung markierte. Außerdem hatten wenige Schlachten davor so viele Menschenleben gefordert.
Vor diesem Hintergrund nahm sich Euripides 415 einen der wichtigsten Mythen vor, den Krieg um Troja, den im Athen der Antike jedes Kind kannte, um daran zu erzählen, dass es in einem Krieg am Ende immer nur Verlierer gibt – egal wer die Schlacht gewinnt. Mit dieser Haltung hat sich Euripides, wenig überraschend, nicht nur Freunde gemacht.

Peter Hilton Fliegel

Impressum

HERAUSGEBER Stadttheater Bremerhaven
SPIELZEIT 2024/2025, Nr. 19
INTENDANT Lars Tietje
VERWALTUNGSDIREKTORIN Franziska Grevesmühl-von Marcard
REDAKTION Peter Hilton Fliegel 

QUELLEN
Joachim Latacz: Einführung in die griechische Tragödie, 2. Auflage, Göttingen 2003.
Die Troerinnen (Der Untergang) von Walter Jens und Euripides, Theaterverlag Desch GmbH, Berlin

Die Texte «Eine Welt des Zufalls» und «Der große Zweifler» von Peter Hilton Fliegel sind Originalbeiträge für diesen Programmflyer.
Die Texte wurden zum Teil redaktionell gekürzt oder bearbeitet.Urheber:innen, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.

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